Der zweite Monat ist dann auch schon wieder rum, liebes öffentliches Musikjunkie-Tagebuch? Is' ja 'n Ding...
Ja, wir machen das hier jetzt jeden Monat einmal.
Also resümieren wir mal den Februar:
Das Thema Dub-Musik spielte wieder mal 'ne größere Rolle.
Z.B. habe ich mir nach einigen der King Tubby- und Upsetters-Essentials aus den 70ern zuletzt u.a. auch ein paar von Scientist's klassischen 80er-Alben zugelegt, die ja interessanterweise zu einer Zeit erschienen, nachdem der Einfluss des Dub längst in der englischen Musikszene Einzug gehalten hatte (war Euch eigentlich schon bewusst, dass "Bela Lugosi's Dead", "Turn to Red", "Walking on the Moon" und das Debütalbum der Slits tatsächlich im gleichen Jahr erschienen?), das „Mischpult-lastige“ Genre spontaner Reggae-Remix-Experimente in direkter Fortführung seiner jamaikanischen Originalstrukturen dann aber kurz vorm vorläufigen Bedeutungsverlust noch mal auf ihren minimalistisch-atmosphärisch punchenden Zenit hoben und einen beträchtlichen Teil dazu beitrugen, was wir heute mit typischen Dub-Snaresounds assoziieren.
Repräsentativ ein paar Releases, die's bei Bandcamp gibt:
Die ganze, noch lange nicht abgeschlossene Geschichte, die's drumrum noch so mit Musikbiz-Rechtstreitigkeiten und daraus resultierten alternativen Versionen der Veröffentlichungen gibt etc. pp., die ist dann schon wieder echt ein bisschen kompliziert und verworren.
Aber irgendwas hat diese über weite Strecken instrumental gehaltene, entspannte und trotzdem drückende Musik, das mich in jüngerer Vergangenheit verstärkt zur Ansicht kommen ließ, davon doch noch ein bisschen mehr in meinem Leben zu brauchen.
An dieser Stelle muss ich dann außerdem auch noch einen Shoutout an die Dortmunder Sightiva Hi-Fi Crew und ihr irres Soundsystem geben....
...denn sowas in der Stadt zu haben ist dann ja auch schon wieder geil...
Aktuelle Tonträger?
Ja, erneuten Neuerscheinungen-Zuwachs im Plattenregal gab's dann natürlich auch wieder.
Und ich hab' ferner in Sachen reingehört, die ich mir dann irgendwie erstmal doch (noch?) nicht so unbedingt auch kaufen musste, von denen ich Euch aber trotzdem erzähle, weil Sharing bekanntlich Caring ist.
Was davon was ist verrate ich nicht allzu direkt:
Baratro - The Sweet Smell of Unrest
(Improved Sequence)
So sehr ich mich, was meine persönlichen Geschmacksbefindlichkeiten und Hörgewohnheiten betrifft, in jüngerer Vergangenheit immer mehr und noch mehr von metallischer und/ oder hardcoreiger Auf-die-Fresse-Musik weg zu entwickeln meine, so habe ich es beim Unsane Konzert in der Bochumer Trompete im Frühjahr '23 dann ja doch noch mal sehr deutlich gemerkt: Unsane gehen bei mir eigentlich nicht nur wirklich immer, sondern irgendwie ist das für mich sogar trotz aller Wut und Wucht ein bisschen sowas wie Gute-Laune-Musik. Stichwort „kathartisch“? Ja, es ist halt diese ungezügelt-direkte „Zerstörungslust“, die das Ganze ausstrahlt, die auch was viel authentischeres hat als etwa Typen, die sich geschminkt und mit Nietenarmbändern in den Wald stellen und dann mit dudeliger Schraddelkrächz-Musik nach reinheitsgebotener Anleitung den der modernen Welt überdrüssigen Misanthropen markieren wollen.
Oder anders gesagt: Originaler Noiserock, gerade auch der etwas kernigere, in Richtung metallischer Hardcore-Härte lehnende, ist wohl halt einfach doch total mein Ding.
Was das mit Baratro zu tun hat ist natürlich, dass dies die aktuelle Band von Dave Curran ist. Jener war ca. 1994–2019 Basser der zwischendurch zwei mal aufgelösten und inzwischen etwas fragwürdig umbesetzten Unsane und auch mal beim Ableger The Cutthroats 9 dabei gewesen, während auch andere Bands von/ mit ihm wie The J.J. Paradise Players Club, später nur noch Players Club, und dann auch noch deren Nachfolger Pigs ebenfalls durch die Bank ganz geil waren.
Inzwischen lebt er in Mailand, wo er mit Federico Bonuccelli und Luca Antonozzi neue, jüngere Mitmusiker zur Bandgründung fand, die seinen typischen Sludge-Punk-Stil mit noch etwas mehr metallischem Post-Hardcore im Sound und Spiel abkanten.
Und auch hier merke ich wieder mal: So sehr ich eigentlich von Klöppelbrüll-Musik so'n bisschen weg zu sein meine, so ist Musik aus dem Unsane-Stammbaum halt sehr offensichtlich dennoch das, was trotzdem irgendwie immer geht, und somit auch mal wieder in dieser neusten Bastard-Inkarnation.
Schon die 2021er Debüt-EP "Terms and conditions" war ganz cool, Langspielalbum "The Sweet Smell of Unrest" zieht nun mit elf Songs nach.
Baratro sind dabei noch mal 'ne ganze Ecke derber als es etwa Pigs waren. Passagenweise streift das Massivgerumpel des Trios auch schon mal an der Grenze zum Stresscore vorbei, womit der überreife Apfel jetzt auch nicht weit vom besagten Unsane-Stammbaum fällt, man wagt allerdings das Update, sagen wir ruhig mal ein bisschen mehr in eine Roadburn-eske Ecke zu schielen.
Neben grobem Caveman-Doom-Gestampfe holt Gitarrist Bonuccelli auch schon mal psychedelisch-verhalltes Lead-Geschraddel raus, und generell ist das Ganze insgesamt eine ganze Spur bissiger und metallischer als vergangene Curran-Bands.
Für Ästhetenohren ist das nichts, nein. Und für Leute, die so richtig krasse Kicks an stürmisch drängendem Aggrokrach brauchen, ist das hier mutmaßlich immer noch nicht krass genug. Für mich, dem der Sinn mit steigendem Alter immer weniger nach derartiger Krawallmusik steht, ist's dann aber doch das eine Rumpelgröl-Album des Quartals mit einem Bein in der wohligen Nostalgie des Gewohntem und dem anderen in einer neuen, aufwühlenden Geschichte, auf das ich dann doch noch mal gelegentlich Bock habe. Heutzutage nicht mehr so wirklich oft, aber gelegentlich halt immer noch mal wieder.
The Body & Dis Fig - Orchards of a Futile Heaven
(Thrill Jockey)
The Body hatte ich, trotz Konzertbesuch im Sommer 2019, über die letzten sieben bis zehn Jahre ja irgendwie immer weniger verfolgt, obwohl ich vor allem so 2010-2014 rum wirklich mal ziemlich beeindruckt und begeistert vom ungewöhnlicheren, experimentier- und kollaborationsfreudigen Industrial-Sludge-Noise-Doom-Duo war.
Wie das aber mit Bands/ Künstlern so ist, die generell eher nicht nur selten was, sondern relativ viel veröffentlichen, fällt dann halt irgendwann auch schon mal was durch's Raster oder ist „zu viel des guten“ und so weiter. Wenn ich mal ganz ehrlich bin, habe ich mir ihr 2021er Country-Kollaborationsalbum mit Big|Brave dann z.B. eigentlich primär wegen den grandiosen Big|Brave zugelegt, während ich diverse experimentelle Krach-Kooperationen, Reguläralben mit Popsong-Annäherungen oder Split-Kleinformate, die das sympathische Duo im Lauf der Jahre drumrum auch noch so raushaute, während man live dann ja doch irgendwie ein „One Trick Pony“ ist (das auf dieser Seite des Atlantischen Ozeans nur mit Aushilfsschlagzeuger auftritt, weil Originaldrummer Lee Buford unter zu schlimmer Flugangst leidet), dann nicht auch noch alle brauchte.
(Noch dazu ist’s halt, wie einen Eintrag drüber auch schon erwähnt, tatsächlich so, dass ich auf meine domestiziert und altersmilde gewordenen Tage immer weniger Lust auf allzu krasses Getöse und Geschrei habe.)
Mit dem The Bug feat. Dis Fig Album auf Hyperdub bereits im Plattenregal war das neue The Body & Dis Fig Album dann allerdings irgendwie so ein No-Brainer auf der Interessensliste.
Die in den USA geborene, in Berlin lebende Felicia Chen alias Dis Fig ist Elektronik-Musikproduzentin, Noise-Künstlerin, Vocal-Performerin und DJ, außerdem anscheinend dem Metal ästhetisch nicht ganz abgeneigt.
Hier treffen also GrenzgängerInnen mit verschiedenen Ausgangspunkten, jeweils tendenziell weiterem, künstlerischen Horizont, aber eben auch vage vorhandenen Gemeinsamkeiten aufeinander.
Und "Orchards of a Futile Heaven" ist tatsächlich auch das beste, was rauskommen konnte, wenn eine experimentelle Metal-Band, die nicht wirklich eine Metal-Band sein will (und wenn einer das verstehen kann, dann ich), kreativ mit einer Partnerin in Crime verschmilzt, die von der elektronischen Seite aus auf der Suche nach der richtigen Balance von Maschinenlärm und Menschlichkeit ist. Mit Metal hat das Teil nämlich wenig bis gar nichts mehr zu tun. Die sieben Tracks werden von Rauschlärm-Texturen dominiert, bei denen sich The Body's Chip King durch den Hintergrund keift, während die Singstimme von Dis Fig in den Vordergrund tritt.
Die doom-metallischen Roots von The Body stecken zwar immer noch in der DNA des Ganzem, verschwimmen aber mit elektronischen Bausteinen zu unwirtlichen Industrial-Klangsphären.
Und ja: Ich finde das tatsächlich ganz geil und bevorzuge so etwas jederzeit gegenüber jedwedem generischen „Extrem-Metal“ o.ä. ...
Gremlinz & Jesta - The Lee Garden Historical Preservation Society
(Metalheadz)
Schon wieder Drum'n'Bass? Ja, schon wieder Drum'n'Bass! Drum'n'Bass ist mein Happy Place!
Der Kanadier Gabriel Au alias Gremlinz ist generell ziemlich kollaborationsfreudig: In seiner bisherigen Vita finden sich diesbezüglich von 2005 an u.a. auch Namen wie der Krach-und-so-Fave Homemade Weapons, der Youtube-Tutor Stranjah und geschätzte UK-Hausnummern wie Digital, Loxy, Friske, Ink oder der aktuell wohl irgendwie weitgehend verschollene Paragon ein. Und die Liste an entsprechenden Labels liest sich mit u.a. 31 Records, Renegade Hardware, DSCI4, Function, Paradox Music oder Samurai dann auch schon relativ prestigeträchtig.
Am häufigsten arbeitete er im Laufe der letzten acht Jahre allerdings mit seinem Landsmann Jesse Heifetz alias Jesta zusammen. Die kombinierten Namen dieser beiden haben bestimmt schon so 15 Singles/ EPs und Compilation-Beiträge geziert. Und einige davon habe ich sogar tatsächlich im Plattenregal.
"The Lee Garden Historical Preservation Society" ist nun ein 13 Tracks starkes 3LP-Album auf Goldie's Metalheadz Label.
Und das 3LP-Album bietet auch viel: Optimistische Retrojungle-Vibes in fast schon triphoppiger Gangart ('Big White') genauso wie einiges an hartkantigem Düster-Geklopfe, dazwischen dunkel-atmosphärische „würd‘ man dazu echt noch tanzen?“-Nummern, der Vocal-Track 'Vermin (ft. Flowanastasia)' wiederum hat evtl. dezent was von Björk oder so, und ich würde so weit gehen das Etikett für 'For To Say' mit einem etwas albernen „Heavy Jazzstep“ zu beschriften, denn es klingt so, als hätte man 'ner Spätneunziger-Roni-Size-Nummer ein bisschen mehr Beef verpasst.
Klar, das hier folgt über weite Strecken schon noch den Regeln „mixbarer“ Clubmusik und Genre-typischer Arrangements, man sollte weder sowas wie durchkomponierte Popsongs, noch komplexen IDM-Braindance in die Erwartungshoffnung gemogelt haben, sondern DnB-Tracks, die eher auf der düster-verhaltenen als der völlig abgehenden Seite des Genres unterwegs ist. Eben in der Nische zwischen dem traditionsreichen Label Metalheadz und der gerne mal etwas minimalistischer experimentierenden UVB-76-/ Samurai Music-Ecke.
Es ist damit aber halt auch jene Art von elektronischer Clubmusik, die ich generell sehr gerne höre und die hier auch im Albumkontext super funktioniert.
Island Apes – Island Apes
(God Unknown)
Altherren-Alternative mit Noiserock-Kante, Psychpunk-Anwandlungen und sogar einem Dub-Exkurs? Mit David Ryley am Bass, der in den sieben Jahren ihres Bestehens Ende der 80er bis Mitte der 90er mit Fudge Tunnel aktiv war, eine meiner absoluten Lieblingsbands?
Count me in, denn es ist mir schon in der Sache unmöglich, die Island Apes nicht gut zu finden.
Der Name der Band ist dabei nicht einfach nur witzig, sondern auch gar nicht mal so unpassend gewählt, denn eigensinniger Humor, das Stichwort Spacerock, rauer Punk-Charme, Dub-Tendenzen und ein Hauch von Krautrock-Einfluss… all das ist ja wirklich irgendwie so durch und durch britisch wie die Teatime.
"Island Apes" ist dabei ehrlich gesagt allerdings ein, in seiner Breite etwas seltsames Album. Die Band ackert sich genauso durch rhythmisch abgehackte Eruptionen, die schon nicht mehr sooo weit von sowas wie Shellac weg sind, um an anderer Stelle Surfrock-Reminiszenzen durchschimmern zu lassen. Auf der Mitte des Albums hypnotisiert ein Dub-inspiriertes Stück, zum Schluss in die Wirklichkeit zurück entlassen wird man dann noch mal eben kurz durch eine Passage reinen Psych-Gesäusels. Dazwischen ist ein Song wie der dafür ganz schön lang geratene 'KOB' ein punkiger Abrock'n'roller.
Ein typisches Debütalbum einer Band, die in der Summe ihrer erfahrungsreichen Einzelteile, die langjährige Underground-Krachmacher dann aus ihren jeweiligen Ecken so mitbringen, erstmal die ersten Ideen sortieren musste, und allzu generische Spartenbedienung wird dabei vermieden. Wenn einer das versteht, dann tatsächlich ich.
Das Label God Unknown, dessen Schwerpunkte tatsächlich Noise- und Psychedelic-Rock sind, wo auch schon Napalm-Death-Urgestein Nic Bullen seine neue Sludge-Punk-Band Rainbow Grave vorstellte und man neulich auch mal ein episches Monster Magnet-Frühstwerk aus der Wundertüte zog, ist jedenfalls wirklich das perfekte Zuhause hierfür!
Nadia Struiwigh - Voxis Ohlun EP
(Blueprint)
Keine Ahnung, ob man das Statement bringen kann, dass Vollprofi Nadia Struiwigh in jüngerer Vergangenheit noch mal einen Popularitätssprung erlebt hat oder sowas, aber ich habe schon das Gefühl, dass sie wirklich sehr, sehr, sehr umtriebig ist. Noch letzten Herbst begeisterte sie mit ihrem neusten Langspielalbum "Birds of Paradise", kurz vor Weihnachten wurde auch noch mal eben 'ne Remix-EP (mit Om Unit Version!) zu ihrem 2021er Album "Pax Aurora" nachgeschoben, und auch wenn ich ihre durchgängige Mitteilsamkeit an Socialmedia-Reels, die sich wenn nötig auch schon mal an musikszenischen Unsitten aufhängen oder tagesaktuelle Befindlichkeiten in die Welt hinausphilosophieren, echt schon ein bisschen viel finde, mag ich die positive, bescheiden-lebensfreudige Attitüde, die sie dabei ausstrahlt.
Auf der "Voxis Ohlun" EP zeigt sich sich im Laufe von vier Tracks nun von einer etwas anderen Seite als ihrer Ambient-lastigen Paradedisziplin: Es ist mitunter etwas weirder klingender Techno an der Tagesordnung. Ein mal ziemlich langsam, ein mal mit eher gebrochenen Beat, zwei mal im straight pumpenden 140-BPM-Bereich, dabei gegen Ende gar mal mit Bassmusic-artigen Sounds.
Aus meiner persönlichen Komfortzone ist das ja ehrlich gesagt schon ein bisschen raus, was dann ja aber gerade auch eher dafür als dagegen spricht, sich auch davon mal inspirieren zu lassen.
Reissue des Monats
Techno Animal - The Brotherhood Of The Bomb
(Relaspe Records)
Es gab Zeiten, da waren Relapse tatsächlich mal sowas wie eines meiner Lieblings-Label, weil man es wirklich verstand, im Zeitgeist metallischer Underground-Lärmereien die wirklichen Vordenker, brauchbarsten Nachzügler und Spezialisten-Ausnahmeerscheinungen an kaputter Knüppeldröhn- und Röchelboller-Musik zu erkennen, sowie von Indierock oder Instrumental-Weirdness über die eine Harsh-Noise-Marke bis sogar zu Standup-Comedy über den Tellerrand zu blicken, was es da sonst noch alles gibt.
Meine Zuneigung ging in jüngerer Vergangenheit aufgrund einiger Einblicke in ihr geschäftliches Selbstverständnis allerdings etwas zurück, genauso wie sich Label-Roster und meine persönlichen musikgeschmacklichen Vorlieben inzwischen halt so ein bisschen auseinandergelebt haben (auch wenn der gelegentliche Relapse-Neuzugang in mein Plattenregal zugegeben nach wie vor noch vorkommt).
Einen Sympathiepunkt zurückgewinnen können sie dadurch, sich dem Back-Katalog von Techno Animal anzunehmen, nachdem man 2019 auch schon Debüt-Single und -Album von Nachfolgeprojekt Zonal rausbrachte.
Letztes Jahr taten Relapse dann nämlich das 1995er Techno Animal Album "Re-Entry" erstmals überhaupt auf Vinyl raus (und dann auch gleich als wertiges 4LP-Boxset).
Müssen wir das jetzt echt noch mal alles erklären? Okay, meinetwegen:
Techno Animal war ein ursprünglich ca. 1991–2004 aktives Projekt, das Justin K. Broadrick (Ex-Napalm Death, Godflesh etc. pp.) und Kevin Martin (aka The Bug!) damals parallel zu so manch anderer Bandmarke mit Industrial-/ Hip-Hop-/ Jazz-Crossover-Ambitionen wie etwa GOD oder Ice (oder auch noch Curse of the Golden Vampire) betrieben.
Die Gesamtheit dieser Projekte zu erfassen hilft, das alles noch besser zu begreifen, denn dem, genauso wie Slayer's "God Hates Us All" am 11. September 2001 (!) erschienenem Techno Animal Album "The Brotherhood Of The Bomb" ging schon das '98er Ice Album "Bad Blood" als Industrial-Hip-Hop-Statement mit Gästen am Mikro (darunter u.a. auch Blixa Bargeld und El-P) voraus.
Nach oben schon erwähntem "Re-Entry", auf dem sich Techno Animal noch etwas mehr in "illbient"-Sphären bewegten, die auch heute noch recht eigen klingen, kam nun dann als nächstes also die Wiederveröffentlichung der letzten Techno Animal (45er-)2LP/ CD dran.
Jene war deutlicher auf groovende Schepper-Beats und brummende Basslines ausgerichtet als das atmosphärisch-verwaschene Frühwerk und holte einige Gastrapper dazu, darunter nochmals El-P, sowie die Jungs vom Antipop Consortium und den geschätzten MC Dälek.
Zu Inspiratoren des Ganzem zählten u.a. noisiges Public Enemy-Frühwerk (war ich auch schon immer Fan von!), britische Dub-Protagonisten wie Aba-Shanti oder der letztes Jahr verstorbene Jah Shaka (s.o., das Thema Dub ist eine meiner aktuellen Obsessionen) und auch der damals aktuelle Sound der Jungle-/ Drum'n'Bass-Musik von Dillinja oder dem Label No- U-Turn (bin ich voll und ganz ohne Einschränkungen in Liebe mit).
Hier schließt sich also regelrecht ein allumfassender Kreis von damals zu all der Musik, wie ich sie auch heutzutage besonders geil finde, und dazu, dass Relapse dann gelegentlich ja immer noch was richtig machen (denn man soll ja nicht nur mosern, sondern auch mal loben)...
Dafür, auch "The Brotherhood of the Bomb" nach all den Jahren doch nochmal auf Doppel-Vinyl und somit in der Revival-Rotation zu haben, war's jedenfalls der exakt richtige Zeitpunkt!
Was DJ-Streams und konservierte Mixe, die so ins Netz gespült wurden angeht, muss ich auf jeden Fall erstmal einen Shoutout an den ganztägigen Sonntags-Stream aus dem Dortmunder U von der T:C-Radio Crew Anfang des Monats gehen, den ich zeitweise zugegeben habe mehr so nebenbei mal laufen lassen, zeitweise aber auch mal etwas aufmerksamer verfolgte.
Besonders der dunkel-atmosphärische Drum'n'Bass-Killerset von good ol' Dash war natürlich einfach nur geil.
Passende Visuals auch!
Dem davor aufgelegt habenden Mampfret gehört dieser alberne Limp Bizkit-Mashup zwar links und rechts um die Ohren gehauen, aber als etwas rockigerer Party-Drum'n'Bass-Set hat auch das durchaus Spaß gemacht.
Was mir das allerdings vor allem auch noch mal vor Augen geführt hat ist, dass so'n Stream eben doch nicht den Endorphinschub ersetzen kann, gelegentlich mal von Bassvibrationen erfasst auf 'ner Clubtanzfläche zu sein.
Nicht unerwähnt bleiben sollten dann noch die Aufwärm-Sets von Rabbit’s Revenge und Cosyy b2b Eeeph. Keine Ahnung, warum ich dieser Tage auf einmal auch verstärkte Begeisterung für dubsteppige Halftime-Headnodder u.ä. zeige, aber es ist halt einfach so.
Ohm Resistance-Labelboss Kurt alias Submerged ist jemand, dessen DJ-Sets und Mixtapes ich mir ebenfalls immer wieder gerne anhöre, denn ich hab's schon mal gesagt und sage es noch mal: Seine "Metropolis Session" via Subduction Audio ist eines meiner absoluten Lieblings-Mixe mit sehr vielen coolen Momenten, zu dem ich wirklich immer wieder mal zurückkomme.
Submerged ist jemand, der die Wurzeln der Drum'n'Bass-Musik durchaus voll und ganz versteht und das Genre in seinem ganzen, darüber hinaus gehenden Crossover-Potenzial be- und ergreift, seien es Jazzer-Kollaborationen, Hip-Hop-Annäherungen, Industrial-lehnender Hart-Alarm oder Schulterblicke zur derbe scheppernden Rock-/ Metal-Welt.
Ihn mal, zumindest in Youtube-Konservierung, so richtig in Action zu sehen ist daher auch mal nice:
Wo wir schon mal beim Bios Stream gelandet sind, der DnB Partys in der Ukraine audiovisuell für die Nachwelt erhält, sollten wir auch noch den Vinyl-Set von iLLusher würdigen!
Und das nicht einfach nur, weil er inkl. so mancher Überschneidung zu meinem eigenen Plattenregal jene Art von dubbig-minimalistischem Samurai-/ Weaponry-Halftime-Kram und Paradox-Drumfunk etc. auflegt, den ich generell auch sehr gerne mag, sondern u.a. auch, weil man von zwei 7" Singles aus dem Hause 45Seven in der Mitte des Sets jeweils beide Seiten zu spielen auch erstmal bringen muss.
Schön zu wissen, dass es tatsächlich Veranstaltungen gibt, auf denen genau sowas auch stattfindet! Denn solche Dauerfeuer an Neurofunk-Drops mit den üblich-verdächtigen Urhebern aus den CDJs, wie es etwa seine Kollegen Naum und Anabeuoz präsentier(t)en, sowas kann man ja gefühlt andauernd an jeder Ecke haben...
Damit, mir in Anschluss daran "Ragga Jungle on Vinyl DJ Set at Jungle Kitchen" mit Max Stoner an den Decks vorzuschlagen, damit traf der Youtube-Algorithmus dann wohl auch ziemlich ins Schwarze...
Guter Übergang zu DJ Hidden, der eine neue EP mit Old School Jungle/ Drum'n'Bass Vibes via PRSPCT Recordings auf der Startrampe, und dazu natürlich auch einen entsprechenden Mix zusammengedreht hat, in dem sich zwischen seinen eigenen Produktionen ein Bogen vom Ray Keith-Klassiker über Photek bis zur Homemade Weapons Mayhem erspannt:
Dass Mandidextrous viel Anklang findet, und dann sogar vor einem Berghain-Set auch mal eben zwischen den HÖR-Kacheln auflegte, das fand' ich dann ja auch irgendwie cool, ich muss allerdings ganz ehrlich auch mal sagen, dass dieser "Speedbass"-Kram, den sie nun zu ihrer Nische gemacht hat, mit diesem 180 BPM 4x4-Gepunche zwischen DnB-Soundelementen, Hard-Techno-Strukturen und 'ner ordentlichen Brise Pop-Heiterkeit in abendfüllendem Ausmaß dann doch etwas ist, für das ich mich dann doch wirklich mal viel zu alt führe. Sympathisch ist die ganze Nummer trotzdem auf ihre Art.
Einmal bei HÖR gelandet ist's dann allerdings außerdem nicht mehr so weit ins dunkelbunte Biotop internationaler Künstler und DJs, die Berlins Düsterdisco-Subkultur bereichern, und so blieb ich dann auch noch etwas beim Set von Ludmila Houben hängen.
Jene stammt eigentlich aus Brasilien und schmeißt auch "Vamparties for weird People".
Und wenn wir hier irgendwas sind, dann weird...
Wird übrigens, wo wir gerade dabei sind, wohl echt mal Zeit für 'nen Hands-Takeover bei HÖR. Make it happen, ppl!
Hätten wir dann auch noch: Der wohl irgendwie auch vage im Orbit von Amenra (glaube ich zumindest?) schwebende Brecht Linden macht als Bolt Ruin sowas wie Industrial-Drone-Musik.
Und legt auch schon mal beim Kiosk Radio auf, wo er nach einem Set vor ca. drei Monaten kürzlich wieder mal das Kabuff betrat und dabei u.a. auch heitere Dance-Music und wilde Breakbeats spielte. Cool:
Auch noch interessant, wenn die Chillout-Zone gerne eher zappenduster sein darf:
Ebenfalls für's Kiosk Radio hat das italienische Dark-Ambient-/ Industrial-Dub-Duo SabaSaba anlässlich des neuen Albums "Unknown City" (Maple Death Records) einen Mix für die Reihe "Outsiders" zusammengestellt in dem es u.a. auch Vex’d und John Carpenter zu hören gibt:
Auch noch im Netz...
Der Female Pressure Podcast stieß mich auf Lamia, die sowas wie Industrial-Pop macht und gerade einen neuen Videoclip draußen hat. Und weil ich die Musik tatsächlich ziemlich cool finde, sollte man die wohl mal im Auge behalten:
Die Quicksand-Performance bei KEXP ist sicherlich auch noch erwähnenswert.
Hier kann ich jetzt auch schon wieder diese „ich weiß selbst nicht so wirklich warum“-Floskel rausholen, aber ich weiß tatsächlich selbst nicht so wirklich warum an allen reunierten 90er-as-90er-could -be-Bands gerade Quicksand diejenige sind, zu der auch noch mal etwas neuzeitliche Gunst meinerseits gefallen ist.
Das 2021er "Distant Populations" ist zwar ein tolles Album, aber musikstilistisch und songschreiberisch jetzt eeiiigentlich auch nichts, was mir den Musik übermäßig analysierenden Weirdo-Geist in besonderem Maße stimulieren würde.
Dennoch finde ich Quicksand auch in diesem Jahrtausend echt ganz gut, und auch das sollte man dann mal entsprechend würdigen...
Sonst noch was, Gossip, Bullshit, Rants?
Ich sach's jetzt mal, mit Bick auf des März-Neuerscheinungen-Radar ganz offen so wie es ist:
Weil die Schallplattenpreise vom schon länger französisch annektierten Metal-Major "Blascht" dann jetzt auch nur nur noch komplett dreist geworden sind, lasse ich Ministry's "HOPIUMFORTHEMASSES" (€27,99 für 'ne Einzel-EP beim Label direkt, bei diversen Mailordern kommt's dann über 30) und Exhorder's "Defectum Omnium" (€39,99 für 'ne 2LP direkt bei NB...), die dort beide gerade auf der Startrampe sind und in die ich zumindest noch mal auf die alten Zeiten reinhören wollte, dann wahrscheinlich doch eher ungehört durch's Raster fallen, weil: Geht's noch? Fickt Euch. Ganz ehrlich, fickt Euch.
Allez vous faire foutre tous!
Wir müssen jetzt wohl doch wieder dazu übergehen, uns solche Veröffentlichungen bei stärkerem Interesse dann halt einfach mal nur noch als digitale Privatkopie zu besorgen, denn irgendwo is' Schluss (und bei Spitify anmelden kommt halt auch nicht in die Tüte).
Sicherlich ist das jetzt auch etwas bigott von mir, bedenkt man, was ich gerade für aktuelle Alben anderer Labels ausgebe, bei NB ist der neuerliche Preisanstieg aber halt so auffällig, den Tacken drüber und daher auch an dem Punkt, an dem ich die Konsequenzen ziehen muss.
Ich gebe mein Geld dann jetzt jedenfalls vielleicht doch lieber mal für limitierte Lathe-Cut-Releases kleinerer DIY-Label aus den UK oder sowas her und zahle mich dann mit Shipping und Customs obendrauf allzu gerne doof und dämlich, anstatt solche spätdekadent-turbokapitalistischen Margen von Massenmarktpressungen in mutmaßlich sehr hoher Auflage (=geringerer Stückpreis in der Herstellung) zu unterstützen.
Und an anderen Stellen werde ich in Sachen Plattenkäufe dann jetzt auch wirklich mal 'nen Cut machen müssen. Es ist nämlich echt schon absurd geworden.
Dass an die zwei CD-Releases, die mich zuletzt interessierten, dann bisher auch erstmal nicht so wirklich günstig ranzukommen war, das macht das alles obendrauf dann noch mal absurder.
Dazu passt dann übrigens auch noch eine Socialmedia-Diskussion, die ich zum Thema aufgeschnappt habe, an der sich der neuzeitliche Voïvod-Gitarrist Dan Mongrain beteiligte. Die lächerlich niedrige Summe, die beim Mitglied einer vermeintlichen Kultband über Jahre so von Streams und Plattenverkäufen hängenbleibt (er bezeichnet den entsprechenden Label-Vertrag sogar als "stealing with consent"), die lässt einen dann schon hinterfragen, wo das Geld, das man als Fan für die von ihm bespielten Tonträger gerne ausgegeben hat, dann eigentlich so verendet...
Was machen wir da jetzt? Ich weiß es nicht.
Wir könnten ansonsten auch noch auf die letzten Zwischenfälle bezüglich Rich Walker (Sore Throat, Solstice) und seiner Entourage eingehen, wo man sich ein bisschen sehr in der Ecke der, den Überblick verloren habenden Verschwörungs-Schwurbler, (Meinungs)Freiheitsverfechter und vermeintlicher Cancelculture-Opfer gefällt, aber 1.) wird mir solcher Meddlszene-Gossip immer egaler, 2.) sollten wir solchen, pathologisch narzisstischen Edgelord-Affen mit Bildungsmangel halt einfach gar keine Aufmerksamkeit mehr schenken, wenn sie dann auch noch ihr dumpfes Getrolle episch rechtfertigen, denn das ist das, was sie eigentlich wollen.
Das Drama um Esucela Grind wäre auch noch und ist inzwischen eine so absurde Socialmedia-Shitshow von Soap-Ausmaßen geworden, dass ich fast schon eine Netflix-Verfilmung dazu erwarte..
Und die Slayer-Reunion, parallel zu King's Soloband-Ambitionen, obwohl das 'ne Woche vorher noch ganz anders klang, ist natürlich irgendwie auch ein bisschen peinlich...
Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass mir die Metal-Szene echt auf den Sack geht?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen