Freitag, 8. November 2024

Herbst Release-Rampe 2/'24

Wahrscheinlich die vorletzte Reviewrampe '24, aber mit Sicherheit die letzte so umfangreiche.
Durch den Oktober und raus wurd's jedenfalls irgendwie ein bisschen seltsam, denn meine schon länger andauernde „eigentlich höre ich derzeit zu bestimmt 77% nur noch Musik mit Breakbeatgewittern und wuchtigen Synth-Basslines, zwischendurch auch gerne mal eher sonnige Dubwise-Vibes, aber bitte bloß kein Bollermeddl, Aggrogehabe oder Düstersterkram“-Phase wurde von tieffliegenden Befindlichkeiten unter- und dann auch mal kurz von anderer Musik durchbrochen, und ich hatte zwischendurch tatsächlich zum ersten mal seit inzwischen schon einigen Jahren nonstop dann für 2-3 Tage auf einmal gar keinen Bock auf Drum'n'Bass. Ja huch?!
Komplett unerwartet kam das jetzt in der Sache zwar auch nicht, aber im wann und wie genau doch so ein bisschen, deswegen fällt's dieses mal auch besonders bunt bis dunkelbunt aus:

4am Kru -  Incognito Rhythm 
(Embrace The Real Records
)
Auf der Insel des Vereinigten Königreich bereits auf den größeren Festivalbühnen an der Schwelle zu Superstars unterwegs, haben sich die Junglisten der 4am Kru mit old-schooligen Party-Tunes und tatsächlich sowas wie Live-Performances inkl. Drumpads-Klopperei 
(anstatt DJ-Sets) bereits in die Herzen der Clubmusik-Freunde und Rave-Gänger gespielt.
"
Incognito Rhythm " ist nun, nach einigen coolen Singles und EPs über die letzten vier Jahre, der Langspielalbum-Einstand über ihr eigenes Label.
Die insgesamt 12 Tracks der 3 Platten beinhalten zwar auch ein paar bereits zuvor auf 12"-EPs verwurstete Nummern in unveränderter Form - genauer gesagt "High Time" mit seinem G-Funk-Flavour, "Pianos Raining Down" im "165 to 134 Bpm Extended Mix" und die Bandhymne "Just Saw Johnny", die auf einen Insider-Witz samt Anrufsample zurückgeht, der für die Crewmitglieder selbst etwas vage geblieben ist das hierauf abgelegte Neumaterial überwiegt allerdings. 
Sicher, wenn es teilweise schon mal etwas zu sehr zu Frühneunziger-Rave-Sounds mit Piano-Stabs, Hoover-Synths usw. neigt, dann ist's in den Ohren des einen oder anderen Musikpolizisten oder Geschmacksmiesepeters jetzt vielleicht auch nicht mehr sooo weit davon entfernt, humorig auf Eurodance-Abende oder Scooter-Konzerte zu gehen oder sowas. Und es entbehrt zugegeben wohl auch nicht einer gewissen Ironie, dass ich zwar z.B. den meisten „Vintage Rock“ oder neuerlichen Spaß-Thrash vom 80er-Revival-Reißbrett fast schon verachte, aber eine Retro-Tanzveranstaltung wie diese hier mit abfeier'...
Grundsätzlich ist meine Sympathie für Dance-Music mit Amiga-Flair aus der guten, alten UK-Schule, wie etwa bei der Ragga-Jungle-Abfahrt "Ribena" oder der fluffig-eingängigen Schlussnummer "Sound System Love", derzeit aber halt doch etwas größer als die zu etwa generischen Furzsound-Drum'n'Bass für zeitgenössische DJ-Füllmaterialstücklisten, wie man ihn zuletzt von zu vielen Seiten reingedreht bekommt.
Fünf weitere Alben in genau diesem Stil bräuchte ich dann jetzt zwar ehrlich gesagt auch nicht wirklich, aber auf dem gefühlten Zenit des aktuellen Jungle-/ Drum'n'Bass-Revivals ist das 4am Kru Langspieldebüt halt so ein Spaß machendes, richtiges Album zum genau richtigen Zeitpunkt! 

ASC & Sam KDC - Surfacing
(Auxiliary)
Klingt vielleicht komisch, ist aber tatsächlich so: Bei Erscheinen mitten im Sommer war's mir erst so ein bisschen durch's Raster gefallen, weil mir da halt eher 
nach anders gearteter Musik war, außerdem weil ASC generell so viel veröffentlicht, dass die bloße Frequenz alleine mich schon schwindlig macht. In die dunkelkalte Jahreszeit rein landete "Surfacing" dann jetzt aber doch noch, an anderen auf dem Radar blinkenden KandidatInnen aus Kategorien wie Post-Punk, Doom Metal oder Grindcore 
vorbei in meiner bevorzugten Aufmerksamkeit, auf dem Einkaufszettel und schlussendlich auf dem Plattenspieler, weil mir dann jetzt auf einmal doch auch mal wieder nach sowas war.
Warum genau? Keine Ahnung, aber Synthesizer-Drone ist halt eigentlich schon auch irgendwie so ein Ding, das zu meinen 
mein Ding“-Dingen zählt, vor allem wenn mir mal danach ist, einen passenden Soundtrack für's „‘nen Gang oder zwei zurückschalten“ zu haben.
Zur Sache: Nach zwei 2LPs jeweils 2012 ("Decayed Society") und 2022 ("A Restless Mind") ist das dieses mal mit sechs Tracks auf einer Platte etwas kürzer gefasste "Surfacing" die schon dritte Ambient-Kollaboration von ASC und Sam KDC über das Label von ersterem. 
Und in dieser Dosis ist das als Musik zum ein- und zwischendurch mal abtauchen tatsächlich genau richtig für mich.
Die sechs Tracks von "Surfacing" sind nix , was ich in zwei Monaten weiter oben in der Jahrgangs-Top-5 platzieren würde oder sowas, 
wabern, rauschen und fließen allerdings auf so eine dunkle und dennoch dezent optimistische, auch schon mal Piano-Sounds oder gemächliche Arpeggios aus dem Reverb emporsteigen lassende Art und Weise vor sich hin, dass es auf mich tatsächlich sowas wie eine meditativ-entspannende Wirkung hat.
Was ich in meinem Alltag tatsächlich manchmal gebrauchen kann.

The Bug - Machine
(Relapse)
Letztens auf einem Youtube-Kanal im Label-Kontext, auf dem man sich das hier erstmals anhören konnte: Es häufen sich Kommentare Marke „Wer das langweilige Ambient-Intro überspringen und zur guten Musik kommen will, der muss bis zum Ende des letzten Tracks skippen“.
Ja hua-hua-huargh auch, wie witzig und geistreich. Genau diese Haltung ist mal wieder eine anschauliche Demonstration für die Gründe, warum ich aus meiner langjährigen Ambivalenz bis Hassliebe zur Metal-Szene und ihren Fans dann irgendwann 
auch mal die "Liebe" rausstreichen konnte und für die schmal gestrickten Rockmusikreinheitsgebots-Mindsets nach DIN-Norm von diesen ganzen reaktionären Meddl-Köppen da draußen eigentlich nur noch entnervte Verachtung übrighabe.
Relapse wiederum ist ja dann auch so ein Label, das ich heutzutage eeiiigentlich kaum noch verfolge, weil ich diesen ganzen Stoner-Rock, Standard-Sludge, Rumpelkram und D
eath Metal aus der zweiten Reihe, der dort mitunter so rauskommt, auch nicht (mehr) so wirklich brauche. Dass sie sich allerdings in jüngerer Vergangenheit der Musik von The Bug und einigen seiner sowohl älteren (Techno Animal) sowie jüngeren (Zonal) Kollaborationsprojekte angenommen haben, das rechne ich ihnen dann ja doch irgendwie hoch an, denn mit solchem Spezialisten-Liebhaberkram kann man bei mir dann eben doch noch mal landen. 
Und obwohl ich hyperfixiert-spezialinteressierter Autist bei sowas sonst schon mal eine komplettistische Ader haben kann, habe ich es mir  in diesem Fall tatsächlich doch geklemmt, mir das nur über den Label-Shop erhältliche 
5xLP-Boxset "Machines I-V" zu schießen, sondern habe mir den Mailorder ausguckt, der die "Machine" 2LP am günstigsten verkauft. Diese enthält zwölf ausgewählte Stücke einer ursprünglich nur digital auf Bandcamp veröffentlichten Reihe von EPs (bei dem auch als 2CD erhältlichen "Machines I-V" Komplettpaket sind's 21).
Ich find's jedenfalls interessant wie The Bug Musik, die vor allem von Dancehall und Dub beeinflusst ist in einen Sound gießt, der eigentlich schon wieder mehr mit  Dark-Ambient und Industrial zu tun hat. Wir können hier auch gerne das in den 90ern mal aufgetauchte Stiletikett "illbient" wiedereinführen und in der Wildnis aussetzen.
Die "Machine" Tracks rauschen, brummen, dröhnen und fräsen über groovende Headnod-Beats, gelegentlich klingt es tatsächlich nach Dub (z.B. "Sickness (Slowly Dying)"), dann wiederum aber auch mal am ehesten nach instrumentalem Industrial-Hop-Hop, in einer Soundästhetik reich an Grauton-Texturen, die inzwischen typisch für The Bug ist.
Und ich find's in seiner Gänze dieser Track-Sammlung tatsächlich ganz geil.
Du nicht? Das ist ja dann okay, aber eben auch kein' Grund, mir damit auffen Sack zu gehen, denn das interessiert mich echt kein bisschen.


Champion Sound - Gun Fevah
(45Seven)
Label-Promotexte sind oft albern, aber hier mache ich jetzt doch mal Copy & Paste, anstatt die Infos umzuformulieren:
"t's a UK thing, they say. However, halftime and Jungle are dubbed internationally since ages. Positive vibes are killing borders all over the globe.
Members of Champion Sound met while playing in Reggae bands in Moscow. Neekeetone was drumming, Koondoongoo is still playing bass. A bit later they ran into Distant Roots while DJing at Dub Raw Camp, a bass family festival in the north of Caucasus. When the 45Seven label and its sounds started to flourish, it gave instant inspiration to them Champions, resulting in nothing less than the two bombs you will hear on this very plate. (...) 
This seven looks back to the imaginary roots of these 45s as well as making way for a bright future of Dubby Jungle!
"
Und diese Riesenloch-Siebenzoll-Single des sympathischen Leipziger Labels mit kohärentem Konzept bringt meinen zumindest zeitweisen primären persönlichen Musik-Vibe 2024 auf den Punkt: Dub und Jungle/ Drum'n'Bass, überwinden wir alle Grenzen ganz plakativ mit positiven Vibes. Ja, auch hier triefen Klischees, aber so ein Hauch von jamaikanischer Sonne im englischen Spirit ist mir inzwischen lieber als skandinavischer Dunkelheitsnihilismus in nietenbesetzter Lederjacke, weil gähn und schnarch, Breakbeats statt Blastbeats, TR-808 statt Gibson Explorer, Space-Echo statt HM-2, Bassface statt Headbang, viben statt moshen, "one love" statt "f.o.a.d."!
"Gun Fevah" und die B-Seite "Wise Man" bieten jedenfalls beide Dub-lastigst hallenden Halftime-Jungle, der mir dann jetzt mit seinen sommerlichen Feelings über den Winter helfen muss...


Gewalt - Doppeldenk
(Clouds Hill)
Zweites Reguläralbum der inzwischen von Berlin nach Wien umgesiedelten Band Gewalt, die sich dem Albumformat in den ersten fünf Jahren ihres Bestehens zunächst komplett verweigerte und hauptsächlich 7" Singles rausbrachte, außerdem jüngst die nächste Bassistin verschlissen hat. 
Wo soll mal hier darüber hinaus noch anfangen und aufhören? Versuchen wir's wie folgt: 
In einem komischen, wahrscheinlich aber auch besserem Paralleluniversum, in dem der Crossover aus Big Black und D.A.F. die höchste Form der Populärmusik hervorgebracht hat, sind Gewalt Superstars. Und da steckt durchaus auch ein Hinweis auf Patrick Wagners früheres Leben in der Band Surrogat drin, auf die wir nur deswegen nicht näher eingehen, damit das hier nicht ausartet.. 
Interessant an "Doppeldenk" ist allerdings, dass es für Gewalt-Verhältnisse den Schritt in eine etwas zugänglichere, noch tanzbarerer orientierte, ja, fast schon poppige Richtung gewagt hat. Was nicht heißt, dass es nicht auch auf "Doppeldenk" Songs von gewisser Kantigkeit gäbe, aber der Elektronik-Anteil geht inzwischen über de Drums hinaus und äußert sich auch schon mal in piependen Synthie-Sequenzen, der Disco-Noiserock des Trios ist manchmal fast schon so ein bisschen mehr Disco als Noise. Dabei schließt sich dann auch schon mal auf einen sehr postpunkig treibenden Song ("Felicita") ein hiphoppig groovender an ("Das kann ich nicht") und bei der gesetzteren Nummer ertönt dann gar so halbironisch zwinkernd ein Saxophon.
Und wisst Ihr was? Ich find's tatsächlich ganz gut. 
Dass es mit Gewalt und Die Nerven derzeit zwei deutschsprachige Bands mit durchaus schroffen Seiten gibt, die es damit bis in Feuilleton-Features und internationalere Aufmerksamkeit schaffen, das ist ja schon irgendwie sehr cool. Ich habe wirklich gar nichts gegen letztere und ihren inzwischen auch schon mal etwas sehr sonorig inszenierten Post-Punk mit Hamburger-Schule-Vibes, erstere liegen mir mit den maschinellen Clubmusik-Tendenzen, einer durchaus gelegentlich wehtuend-kantigen Gemeinheit und dieser völlig enthemmt neurodivergenteren Weirdo-Authentizität aber einfach doch wesentlich mehr. 
Auch in den Texten: Da wo die Nerven durchaus sehr auf den Punkt gebracht "Ich bin mir ziemlich sicher man kann hier noch Prozesse optimieren / Ich will nicht mehr funktionieren" verkünden und sich das dann irgendwie doch noch so ein bisschen mehr wie ein halb als Witz dahingeworfener, lakonisch-floskelhafter Alltags-Slogan anfühlt als durchaus gewollt, da skandiert Patrick Wagner ganz ohne doppelten Boden noch direkter und energisch "Fuck, ich muss hier raus. Dann fällt mir auf das kann ich nicht (...)" und ich fühle genau das tatsächlich doch ein bisschen mehr so. 
Ein Album-des-Jahres-Kandidat wäre es gewesen, wenn dem Material nicht für meinen Geschmack zu so ca. 'nem Viertel die Luft (zwar nicht viel, aber doch) ein wenig ausgehen würde, aber auch das macht nix, denn die starken Nummern reißen's halt durchaus nach oben raus.
 

Harvestman - Triptych: Part Three
(Neurot Recordings)
Na klar, das Finale von Steve Von Till's diesjähriger Trilogie an Drone-Exprimenten, Krautrock-Inspirationen 
und Dub-Exkursen kam, wie die Teile eins und zwei auch schon, selbstverständlich ins Plattenregal bzw. auf den Spieler. 
Wie bei den anderen beiden ist auch hier ein dubbig angehauchtes Stück mit Al Cisneros am Bass die Eröffnungsnummer, die noch dubbiger rauschende Remixfassung auf der B-Seite hat man dieses mal The Bug überlassen, und 
interessant ist dann auch noch, dass der dritte Teil des Triptych-Materials der am meisten zu Tangerine Dream schielende ist, denn auf dieser Platte ertönen an 2-3 Stellen auch noch mal offensichtlicher Synthies.
Womit zum guten Schluss noch mehr von dem zusammenkommt, was zufällig ganz gut einen dunkelbunten Schmelztiegel meiner musikalischen Vorlieben und Interessen sowohl seit längerer Zeit als auch besonders dieser Tage, sowohl als Hörer als auch aus kreativer Perspektive widerspiegelt. Manche Künstler sind eben doch Konstanten im eigenen Leben, und es ist besonders cool, dass dieser Typ der nicht mehr aktiven Neurosis eine ist.
Bevor ich zu sehr in allgemeines Blafasel abdrifte: Runde 3 der Trilogie weckt auf mich tatsächlich so ein bisschen den Eindruck, die rundeste und von allem ein bisschen mehr zu sein. Die diversen Gäste an Live-Drums und weiteren Instrumenten scheinen das Ganze gelungen mit auszuweiten.
"Clouds Are Relatives" und "Snow Spirits" sind die musikalisch reifsten Stücke der Serie, voller Atmosphäre, Bewegung, auch mit gewisser Wärme und selbst die etwas statischeren Momente wie "Eye the Unconquered Flame" mit seinen Spoken-Word-Fragmenten, die Drone-Schönheit "The Absolute Nature of Light" und das spaceige Ambient-Stück "Herne's Oak" sind interessante Klangreisen, in denen irgendwie noch etwas mehr Soundwucht steckt als auf den vorangegangenen beiden Platten dieser Serie, die ich ohne Frage auch schon sehr gut fand. 
"Psilosynth" von der ersten ist glaube ich nach wie vor (in beiden Versionen) mein Songfavorit der Trilogie, aber in ganzen Albumteilen betrachtet gefällt mir wahrscheinlich sogar dieses Finale am besten!

JK Flesh - Echo Chamber Music 01
(Avalanche Recordings)
In the spirit of the intention of 'dubs', comes a new series, Echo Chamber Music, consisting of open ended manipulations of minimal JK FLESH 4/4 'techno' tracks, loosely traversing the 'industrial dub techno' concept (some vague meeting point between early industrial music e.g Throbbing Gristle, etc, and dub techno pioneers Basic Channel); gritty dub techno tracks reduced and inverted, indulging in the endless possibilities of the application of the processes of dub through dirt...
The series was intended to begin in 2021 with this first volume, but due to clashes with other project releases around the period, the series was put on hold until now - Nov 2024....
Dass ich rein digitale Releases unter die Tonträger-Reviews mogle, das ist ja eher die Seltenheit, aber hier war mir danach, denn es passt mir aktuell einfach gut mit den Kram:
Bei Justin Broadrick’s Soloprojekt JK Flesh war ich ja tatsächlich von Anfang an dabei. Auf dem 2012er Debütalbum "Post Human" klang das dann noch eher wie ein etwas unentschlossenes Abziehbild seiner Band Godflesh, in der Folgezeit fand er sich damit dann aber immer mehr in Techno-Experimenten, die sich sowohl vornehmlich an Industrial-Soundästhetiken orientieren, als auch Dub-Ideen aufgreifen, und hat damit inzwischen sogar schon das Berghain beschallt, was auch immer genau das jetzt auch bedeuten mag.
Auch wenn 4/4-Techno eine Art von Musik ist, die bei mir eher nur am Rande stattfindet (denn my heart beats like a Jungle-Drum…), höre ich mir davon ja fast jeden Release und jeden Mix an und schiebe tatsächlich auch die eine oder andere EP/LP davon ins eigene Plattenregal.
Und das trifft dann auch auf die hiermit startende "Echo Chamber Music" Reihe zu!

John Rolodex - Seeing Around Corners
Marvel Cinema & 88 Katanas - Titanium Blade 
(Over/Shadow) 
John Rolodex' 2002er Debüt-EP auf Ray Keith' Dread Recordings war seinerzeit ein ganz geiles Statement in Sachen Drum'n'Bass der Jungle-wurzeltreuen und doch auch eher etwas düster-derber smashenden Variante, seine letztjährige "Formless" EP auf Metalheadz zeigte dezente Tendenzen in Richtung jazzy IDM inkl. menschlichem Gastdrummer-Einsatz. Die superlimitierte Handarbeits-Platte mit dem ganz coolen Tune "Heavy Metal" besitze ich ja leider nicht, aber ein Release über das Qualitätslabel Over/Shadow ist dann ebenfalls etwas, das fast schon unter „Pflichtprogramm läuft.
Ü
ber alle vier Tracks dieser wieder mal ziemlich geilen EP demonstriert Rolodex eine gewisse „Luftigkeit“, Breaks und Bässe kommen aber dennoch (oder vielleicht auch gerade deswegen) mit knackigem Punch. 
Find's wieder mal gut, musste es mir wieder mal kaufen.
Die deutsch-amerikanische, genauer gesagt Köln-New Yorker Freundschaft Marvel Cinema & 88 Katanas hat mit der "Titanium Blade EP" dann übrigens ebenfalls aktuell eine ganz coole 12" via Over/Shadow draußen, vor allem der Titeltrack ist ziemlich nach meinem Gusto, weswegen ich das mal nicht durch's Raster fallen lassen wollte. 

Opalglas - Whale
(Südturm)
Kassetten kaufe ich ja wirklich eher selten gerne, aber die Ausnahmen scheinen derzeit mal wieder zuzunehmen... 
Man kennt Christian Kolf natürlich von seinen Metal-Bands Valborg, OWL und weiteren Nebenprojekten von Ambient über Indierock bis Death-Doom, obendrauf kommt dann auch noch die gelegentliche Soloprojekt-Veröffentlichung unter 
Opalglas-Banner mit Musik zwischen Ambient-Drone, Dub-Techno, Industrial...
Dieses Tape in Kleinauflage über das Kölner Label Südturm beinhaltet zehn oft eher kurz gehaltene Tracks (der kürzeste ist das eineinhalbminütige "Empire", am längsten ist die fünfminütiige Schlussnummer), die sich von technoideren Gangarten im engeren Sinne entfernen und in einem Spannungsfeld von synthetischen Ambient-/ Drone-Experimenten und sowas wie Industrial-Stampfdrums- und//oder Gesangsnummern stattfinden, die mitunter auch ein bisschen an Author & Punisher erinnern (z.B. beim Titeltrack). 
Und für die noch mal etwas anderen Klangfarbtupfer in der Musikrotation find' ich's tatsächlich ganz geil!

Oranssi Pazuzu - Muuntautuja
(Nuclear Blast)
Auch wenn es Phasen gab, während denen ich mich derartigem durchaus recht zugetan fühlte, höre ich heute ja wirklich kaum noch karikaturenhafte Düsterklischees reitende Bläckmeddl-Musik mit Krächz-Vocals, obendrauf ist Nuclear Blast ein in seiner Gänze schon länger eher unsympathisches Label. Sorry, Jungs und Mädels in Donzdorf, Dortmund oder Paris, aber es ist halt einfach so.
Von Oranssi Pazuzu habe ich allerdings tatsächlich fast alles im Plattenregal und habe mir auch ihr neues Album wieder zugelegt. Denn wenn es dann doch mal eine Metal-Band gibt, die sich wirklich traut ihre musikalischen Wurzeln mit in andere Territorien auszustrecken, in denen man aus ihrer Ecke heraus tatsächlich auch noch so ein bisschen Neuland betritt, die ganzen Traditionalisten und willenlosen Genre-Spießer mit 'nem über die Schulter gezeigten Mittelfinger hinter sich lässt und dabei dann auch gar nicht mal so doof wirkt, dann gilt es das als die Ausnahme zur stereotypischen Langweiler-Szeneregel zu würdigen. 
Schon ihr Debüt demonstrierte vor 15 Jahren Spacerock- und sogar dezente Dub-Einflüsse, auf "Kosmonument" und "Valonielu" gab es richtige Wow!-Momente zwischen Psychedelica, Noise, Chaos und Groove, vor allem auf dem 2016er "V​ä​r​ä​htelijä" hatte man dann eine begeisternde Balance aus Krautrock-Einflüssen und Noiserock-Tendenzen im Rahmen düster-extremer Metal-Gangarten zu bieten (und live war's dann beim Roadburn Festival in dem Jahr auch tatsächlich einfach nur geil), und mit dem sechsten Regulär-Longplayer "Muuntautuja" liegt nun die nächste Stufe musikalischen Wahnsinns gewordener Finnen-Düster-Weirdness vor. Und nachdem ich den vier Jahre alten Vorgänger "Mestarin kynsi" - weil einfach Bock auf gänzlich andere Vibes gehabt - zugeben weniger und seltener gehört habe, bin ich ja doch relativ begeistert, dass "Muuntautuja" noch einmal mehr wirklich alles andere als "your average Metal Album" ist.
Ja, auch hier gibt's schon mal Blastbeatgerumpel und Motorsägen-Riffing mit Gekeif oben drüber, auch hier gibt's den abdunkelnden Pathos, der für eine skandinavische Düster-/ Extrem-Metal-Band relativ normal ist, aber hier gibt's etwa auch weite Passagen mit brodelnd in den Vordergrund rückenden Synthesizern, das Drumming stolpert immer wieder mal mit gewissem Jazz-Swing nach vorne, die Band baut gemächlich kriechende Passagen mit, trotz aller Dunklheit eher Metal-untypischem Feel und Sounds auf und eskaliert dann auch noch immer wieder mal in völlig krachigem Chaos. Als Schlussnummer wabert man sich dann obendrauf noch instrumental durch eine geil Ambient-eskes Stück.
Ich habe in diesem Jahr bisher wirklich nur sehr wenige Metal™-Platten gekauft. Eigentlich sind's inzwischen sogar nur noch die völlig abseitigen Sachen, wie etwa die aktuelle Corrupted-CD, die The Body & Dis Fig Kollaboration oder eben dieses Album hier. Dafür schätze ich an sowas wie "Muuntautuja" dann aber umso mehr, dass Typen, die da mit langen Haaren und Lederjacken auf der Bühne stehen, sich auf Arten und Weisen künstlerisch ausdrücken, die absolut nicht der heutzutage nur noch uninspiriert-spießigen Szene-Norm entsprechen, sondern was anderes machen müssen. Wenn einer das versteht, dann ich.
Fazitärer Schlusssatz? Okay: Wirklich geiles Album, das derzeit dann tatsächlich doch überraschend oft mal läuft!

Pharmakon - Maggot Mass 
(Sacred Bones)
Keine Ahnung, ob's wirklich was mit der nahenden, dunkelkalten Jahreszeit und allgemeiner Ohnmacht über den Zustand er Welt da draußen zu tun hat/te, aber nachdem ich über den Sommer glaubte, von Musik, in der sich Düsternis,  Verzweiflung und Abgründigkeit widerspiegeln total geheilt zu sein, landeten auf dem Herbsteinkaufszettel dann auf einmal dennoch z.B. die neue Oranssi Pazuzu (s.o.) oder eben auch das aktuelle Album von der New Yorker Power-Electronics-/ Noise-Performance-Künstlerin Margaret Chardiet alias Pharmakon.
Zufall, dass ich ausgerechnet in der gleichen Woche dann auch noch dem Organisator hiesiger Industrial-/ Harsh-Noise-Events mit gewissem Trademark über den Weg gelaufen bin? Irgendwie möchte ich manchmal nicht mehr an welche glauben...
Jedenfalls muss ich tatsächlich gestehen, heutzutage nur noch selten in der Stimmung für Fabrikhallenmusik mit Hexengeschrei zu sein, aber diese fünf, teilweise dann ja doch bisher „musikalischsten“ Pharmakon-Tracks von superkurz (02:37) bis episch lang (10 Minuten) haben was! 
Die Struktur aus Rhythmus und heftigen Lowend-Brummen von 1-2 Nummern würde mich gar schon das Wort Doom als grob einordendes Behelfsattribut mit auspacken lassen, und wenn's am industriellsten rumpelt, dann erinnert's auch schon mal erst recht so ein bisschen an die besten Sutcliffe Jügend Momente (sowas wie "Bait" halt).   
Joa, ich find' auch das hier ziemlich geil! Ich will's zwar jetzt auch nicht jeden Tag hören, aber auch für sowas ist in meiner Welt 
tatsächlich immer noch Platz.

Universal Project - Universal Language
(Universal Project Recordings)
Drum'n'Bass³ und noch ein Sommernachzügler, der mir etwas verspätet in die Aufmerksamkeit gespült wurde, aber dann auch einfach Sinn für mich machte:
Ursprünglich eine Früh- bis Mittnuller-Gruppe, meldete sich vor ein paar Jahren, quasi zufällig ziemlich pünktlich zum vermeintlichen Jungle-/ DnB-Revival jüngster Vergangenheit auch Aaron McDuffus nach ca. einer Dekade Pause mit dem Künstler- und Labelnamen Universal Project zurück.
Die 4-Track-Vinylauskopplung zum 15-Track-Digitalalbum "Universal Language" enthält nun zwei Ära-typische Altnummern im Remix, um genau zu sein das damalige Debüt "Bleach" in einer typisch-neuzeitlich etwas knackigeren Version von Jubei und "Glock" in einer relativ aufgeräumten Fassung von Zero T, sowie mit dem partiell recht derbe fräsendem "Funk'd Up" und der besonders techsteppig/ frühneurofunkig klatschenden Xtrah-Kollaboration "Zero DB" zwei ganz neue Tunes.
Eigentlich zeichnet sich ja derzeit ab, dass ich den Filter, welche DnB-Neuerscheinungen ich mir unbedingt auch in den DJ-Plattenkoffer holen muss, dann jetzt wohl auch mal wieder etwas enger einstellen werde, damit das nicht alles noch völlig Überhand nimmt, aber zwischen den Klassikern von Bad Company, Ed Rush & Optical, Nico usw. und auch aktuelleren Smashern von etwa Dom, Tech Itch oder Trace ist das hier eine wirklich gute Playlist-Addition! 



Noch was? 

Jeweilige "Honorable Mentions"-, "auf dem Schirm, aber noch nicht gehört"- oder "Restjahresradar"-Auflistungen sparen wir uns an dieser Stelle bei einer solchen Fülle dann jetzt doch mal, auch wenn es durchaus noch weiteres erwähnenswertes (etwa das handbeschriebene LP+CD-Package von Caspar Brötzmann Bass Totem via Exile on Mainstream) oder bereits im virtuellen Einkaufswagen liegendes oder irgendwie noch antizipiertes interessantes gäbe...

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