Freitag, 5. Januar 2024

Musik 2024?!

So, das war sie dann, die Krach-und-so-Revival-Woche zum Jahreswechsel. 

Haben wir für 2024 irgendwas anstehen, über das wir bei der Gelegenheit noch mal eben reden könnten?

Ich sach's ma' so: Da sie '23 immer noch nicht kam, hätte ich dann ja jetzt doch endlich mal gerne die neue Eisenvater.
Bidde Loide, wir brauchen das wirklich. Also ich zumindest.
Und wenn Ihr immer noch einen neuen festen Schlagzeuger suchen solltet, würde ich auch einen Umzug nach Hamburg in Erwägung ziehen, Zwinkersmiley.

Gibt's noch was konkreteres an potenziell coolem, kommenden auf dem Reinhör-Radar?
Joah, eigentlich sogar schon wieder einiges:

  • Bereits auf der Rechnung haben wir das Langspieldebüt "The Sweet Smell Of Unrest" von Baratro, aktuelle Band von Noiserock-Adel Dave Curran (Ex-Unsane, -Cutthroats 9, Pigs, J.J. Paradise Players Club).
    Schon die vorangegangene EP war eine nicht ganz unspannende Kombination aus Curran's mehr oder weniger typischem Stil und etwas metallischer-kantigen Gangarten, die seine jüngeren Mitmusiker mitbringen.

  • Eine Birds in Row & Coilguns Zusammenarbeit erscheint am 01.02. auf Bandcamp und auch als limitierte Picture-Disc in drei Varianten zu "Name your Price"-Konditionen

  • The Body & Dis Fig's "Orchards of a Futile Heaven" erscheint am  23. Februar 2024 auf Thrill Jockey.

  • Es soll dann doch mal wieder was neues in der groben Richtung von The Jesus Lizard sein? Bronson Arm's selbstbetiteltes Debütalbum erscheint Mitte Januar bei den geschätzten Noiserock-Spezialisten von Learning Curve Records!

  • Ich bin ja jetzt echt nicht der grööößte Chelsea Wolfe Fan, würde aber nicht ausschließen, dass mich "She Reaches Out To She Reaches Out To She" im Februar nicht doch irgendwie kriegen könnte.

  • Die britischen Cold in Berlin sind Mitte/ Ende diesen Monats mit ihrer neuen EP "The Body Is The Wound" am Start.
    Wer mit sowas wie fetten Doom Metal, weiblicher Singstimme mit Goth-Theatralik, plus ‘nem Hauch von Alterna-Rock-Verständnis was anfangen kann, sollte Band auf dem Schirm haben, denn das letzte Album war 2019 auch schon ganz gut.

  • Conan haben eine Serie von 7"- und 10"-DIY-Releases angekündigt, inkl. Fudge Tunnel-Coversong! Passend dazu, dass der originale Fudge Tunnel-Basser David Ryley jetzt auch Conan-Basser ist! 
    Noch mehr Fudge-Tunnel-/ David Ryley-related Content übrigens unter "i"!

  • Was genau es mit dem doomigen Corrupted-Comeback auf sich hat bleibt irgendwie spannend...

  • Während seine beiden ehemaligen Mitmusiker mit Dug auf einem Pfad der Zerstörung sind, hat Brain Lake von den Noiserockern Buildings eine neue Band namens Curve gegründet, von der in diesem Frühjahr ein Langspielalbum erwartet wird, und die wiederum der ersten Vorabsingle zufolge eher in etwas melodischere Alternative-Rock-Gefilde neigt...

  • Es ist schon wieder eine neue Big|Brave unterwegs: "A Chaos Of Flowers", 19.04., Thrill Jockey Records.
    Die Vorab-Videosingle "I felt a funeral" hat einen ziemlichen Folk-Einschlag. Ich find's gut. 

  • E-Saggila fiel mir zunächst mit einem DJ-Mix beim Kiosk Radio sehr positiv auf, bei dem Sie vor allem auch diversen aktuellen Jungle-/ Halftime-Drum'n'Bass-Kram spielte, der mehr oder weniger meine Platten-Einkaufsliste '22/'23 widerspiegelte.
    Wenn man ihren eigenen Kram dann mal checkt, den sie inzwischen auch schon ein paar Jahre macht, taucht man in eine völlig eigene Welt ein, die von Ambient über Techno bis IDM und Industrial-Breakcore reicht. 
    Ihr neues Album auf Northern Electronics wird daher Ende Januar auf jeden Fall mal angehört, wahrscheinlich sogar eingetütet.

  • Wenn das mexikanische Industrial-Unikat Espectra Negra dann jetzt bald mit einem Album auf dem Dortmunder Label Hands am Start ist, bin ich auch da durchaus mal neugierig drauf.

  • Das neue Exhorder-Album "Defectum Omnium" erscheint am 08.03. bei „Blascht", eine Vorab-Videosingle gibt's auch schon.
    „Wenn Meddl, dann so!“? Na, mal sehen… 

  • Ein zweites Album der Friends of Hell erscheint Anfang April auf Rise Above Records.
    Das Line-Up der Beteiligten hat sich dabei allerdings so verschoben (Sami "Albert Witchfinder" Hynninen ist nicht mehr dabei, dafür einer der Nifelheim-Trottel), dass es bei mir eher auf Desinteresse stößt.

  • Das zweite Gewalt-Langspielalbum soll Mitte des Jahres kommen!

  • Kim Gordon's neues Soloalbum "The Collective" erscheint am 08.03. via Matador!
    Nicht nur, weil ich das letzte auch schon ziemlich gut fand, sondern auch weil die erste Hörprobe in Form von Opener "BYE BYE" kaputte NIИ-Vibes im allerbesten Sinne versprüht, habe ich da ziemlich Bock drauf

  • Ein 3LP-Langspielalbum der schon seit Jahren öfter mal kollaborierenden, kanadischen Drum'n'Bass-Helden Gremlinz & Jesta erscheint am 16.02. auf Metalheadz!

  • Guiltless, eine neue Band von und mit u.a. Josh Graham (natürlich u.a. Ex-Neurosis, A Storm Of Light, Battle of Mice usw.), veröffentlicht Ende Februar die Debüt-EP "Thorns" via Neurot, in die man mal reinhören könnte.

  • Wir dürfen wohl, wenn ich das richtig aufgeschnappt habe, evtl. auch ein neues Album von Homemade Weapons erwarten, welches dann bei mir ebenfalls unter „Pflichtkauf“ laufen wird.

  • Im Februar käm' auch 'ne neue Idles, ich muss allerdings gestehen, die durchaus nicht ganz unsympathische, schnell ziemlich groß gewordene Band nach dem zweiten Album nicht mehr so wirklich weiterverfolgt zu haben...

  • Island Apes wiederum ist eine neue Band mit Basser David Ryley, der früher mal Mitglied einer meiner absoluten Lieblingsbands war, nämlich Fudge Tunnel, und mittlerweile regulär fest bei Conan (s.o.) und deren Ableger Ungraven dabei ist.
    Das selbstbetitelte Debütalbum erscheint Ende Januar via God Unknown Records.
    Die Vorab-Videosingle 'Stitt' haut mich jetzt zwar nicht komplett vom Hocker, ist aber geil genug, um Bock drauf zu haben!

  • Ein neues Lustmord-Album erscheint Mitte März über Pelagic!

  • Ob man 2024 wirklich noch mal in 'ne neue Ministry reinhören müsste, das ist wohl auch so eine Sache; weil ich aber eigentlich nach wie vor noch Fan ihrer Discographie ca. '88-'03 (und ja, okay, plus "Rio Grande Blood") bin, checke ich "Hopiumforthemasses" im März vielleicht tatsächlich mal aus.

  • Auf jeden Fall sehr gespannt bin ich erstmal vor allem auf Ord Cannon, die neue noisige Drumcomputer-Drone-Doom-Band aus der BSON-/ Bellrope-Blutlinie. 

  • Das ORT Album "Maschinenhafen" ist offiziell seit Dezember '23 via My Proud Mountain draußen, schlägt aus ominösen Vertriebsweggründen aber wohl erst im Laufe diesen Monats bei diversen Mailordern/ Shops etc. auf. 

  • Wer Pharmakon in jüngerer Vergangenheit live sah, schwärmte von einem Set mit "all new material, different from her previous work, very rhythmic and bass-heavy".
    Also sollte man hier evtl. ein neues, interessantes Album auf der Rechnung haben.

  • Das neue Pissed Jeans Album "Half Divorced" erscheint am 01.03., natürlich wieder über Sub Pop.

  • Eine neue Planet B kommt am 09.02. natürlich über Three One G.

  • Wie man leider vernimmt, wird es wohl nicht mehr zum Scorn-Album kommen, auf dem Justin Broadrick und Shane Embury mitwirken sollten, und bedanken kann sich der verhaltensauffällige Mick Harris dafür wohl in erster Linie bei sich selbst.

  • Sea of Bones haben so zehn Jahre nach dem letzten Longplayer dann auch mal wieder ein zumindest bereits aufgenommenes, neues Album versprochen!
    Definitiv eine der Dröhn-Metal-Bands, die ich mir auch in meine Metal-müderen Phasen dieser Tage 'rüber retten werde, denn die nur sporadisch aktive Truppe aus Connecticut hat/te definitiv dieses besondere Etwas...

  • Über Shrlok weiß ich bisher nix, außer dass ich seinen Track auf der 2018er "Splinters"-Compilation via Amit's Label Amar ganz cool fand.
    Für noch diesen Januar ist eine "LP" übers gleiche Label angekündigt. Könnte allerdings sein, dass es sich dabei dann wieder um einen reinen Digital-Release handelt.

  • So 17 Jahre nach dem letzten wird's im Februar ein neues Album von Sleepytime Gorilla Museum via Joyful Noise Recordings geben.

  • Auch wenn ich echt nicht mehr so der Fan von Gimmick-haften Coveralben u.ä. bin, wird das Slower-Album, ein Stoner- / Doom-Tribut an Slayer mit Leuten von Kyuss, Kylesa, Monolord, Year of the Cobra usw. usw. Ende diesen Monats vielleicht durchaus mal gecheckt. 

  • Pflichtkauf: Neue Squarepusher Anfang März!

  • Das schon seit so eineinhalb Dekaden angekündigte neue Album des norwegischen Black-Metal-Originals Thorns soll dann ja tatsächlich auch mal kommen.
    Die Zeiten, in denen mich sowas stärker interessierte, sind ja irgendwie auch schon vorbei, aber.

  • Dass Tongue Party schon länger am nächsten Album arbeiten sollte man ebenfalls auf der Rechnung haben. 
    Das letzte zu toppen ist zwar nahezu unmöglich, denn ich würde so weit gehen, dass das 2018er "Looking For A Painful Death" mit seinem hochenergischen Noiserock-/ Hardcore-Punk-/ Weirdo-Metal-Dauersprint das wahrscheinlich beste und wichtigste Album in Sachen Sturm-und-Drang-Gitarrenkrach der letzten 10-15 Jahre war, aber das sollte kein Grund sein, sich nicht dennoch auf ein mögliches neues Album des Minneapolis-Trios zu freuen.

  • Typen, die man von den Instrumental-Lärmern Lento, den Hart-Jazzern Zu und dem infernalischen Noiserock-Duo Zeus! kennt, haben mit Traum eine neue Psychedelic-/ Space-Rock-Band am Start, deren Debüt Anfang März über Subsound Records erscheint.

  • Ferner auf jeden mal checken werde ich dieses Jahr dann wohl auch mal wieder das nächste Ufomammut Album, da mir das letzte und der Konzertabend dazu damals durchaus gefielen.

  • Die britischen Noiserocker USA Nails - von denen ich das 2014er Debütalbum und 'ne Split 7" mit den bereits gelobhudelten Tongue Party besitze, allerdings habe ich die Band dann wohl im Laufe der weiteren Jahre eher so ein bisschen vernachlässigt - sind im März mit ihrem inzwischen schon sechsten Regulärlangspieler "Feel Worse" am Start.
  • Whores., die selbsternannten „Kings of Noise-Rock“ (naja) wollen jetzt, wo ihr einstiges Momentum eigentlich schon lange wieder abgeflaut ist, im Frühjahr dann doch mal ihr zweites Langspielalbum am Start haben.
    Ich sag’s nur ungern so direkt, aber da schon das erste nicht so ganz hielt, was die grandiose "Clean" EP mal versprochen hatte, ferner der alte, ziemlich gute Drummer inzwischen raus, außerdem Band-Leader Lembach auch mal ein echt seltsam aneckender Vogel ist, sind die jetzt ganz schön in der Bringschuld…

  • Warum ich das Düsseldorfer Label Krachladen Records und seinen Ableger Krachladen DUB gut und sympathisch finde, daran könnte ich mich länger aufhalten, aber wir wollen das hier jetzt mal nicht ausarten lassen.
    Am 16.02. erscheint dort jedenfalls das "Dub Remix Album" von Zea
    , auch bekannt als Arnold de Boer von The Ex

  • Last but not least ist in Sachen Drum'n'Bass-Singles und -EPs schon wieder der übliche Wahnsinn angekündigt:
    Asc wird wieder ohne Ende was rauskloppen, u.a. über sein neustes seiner 2-3 neueren Sublabel, 
    Curvature und natürlich auch wieder unter Spatial-Banner.
    Es ist auch schon wieder 'ne Eusebeia-EP via Samurai Music unterwegs.
    Und auf Ohm Resistance steht u.a. was neues von Labelboss Submerged himself an. 

    Wunschzettel-mäßig würde ich persönlich dann noch nehmen:
    Amit hat doch noch ein Einsehen, eigenen Kram auch weiterhin auf Platten zu pressen anstatt zu reinen Digitalveröffentlichungen überzugehen. Denn selbst wenn ich den Cut machen sollte, wesentlich weniger Platten zu kaufen, würde ich neues von Amit jederzeit mitnehmen!
    Und John B schnürt seine letzten Spaßnummern wie "At Doom's Gate", "Anti-Valentine" und "Disconnected" mal zu 'nem physischen Album zusammen. Das wär' auch was.

Wird's hier im Laufe des Jahres doch noch mal wieder einen gelegentlichen Blogpost geben oder sieht man sich nächstes Jahr um diese Zeit für den einen großen 'Rundumschlag oder sowas wieder?
Naja, mal sehen.
Was es hier nicht mehr noch mal geben wird, das ist sowas wie ein regelmäßigerer Dauerbetrieb.
Rigoros und kategorisch ausschließen würde ich jetzt allerdings auch nicht, hier vielleicht so quartalsweise mal irgendwas reinzuhacken und/ oder um den Jahreswechsel '24/'25 nicht doch noch mal wieder ein paar persönliche Jahreshighlights des Musikkonsums aus der Hüfte zu schießen oder sowas, falls ich dieses Mitteilungsbedürfnis verspüren sollte. Time will tel.

Donnerstag, 4. Januar 2024

15 Alben 2023

Blablabla, Jahrgangslieblinge.
Dies hier wären dann also die LPs bzw. 2LPs, die mich dieses Jahr wohl am meisten abgeholt hätten, wie man so schön sagt.

Ich habe es mir dann allerdings darüber hinaus übrigens doch verkniffen, auch noch eine Liste von “Honorable Mentions” mit drunter zu hauen, oder einleitend eine Reihe von „ferner liefen“-Fällen anzuführen, oder auch Veröffentlichungen, die irgendwie vom Radar so halb durchs Raster fielen, oder irgendwie noch auf dem Reinhör-Zettel wären zu erwähnen.
Weil, wie albern wäre das?
Es hätte sicherlich von Ambient bis Noiserock oder Doom Metal durchaus noch ein paar weitere Alben gegeben, die ich gehört und/ oder gekauft hätte, oder auch noch nicht gekauft, es evtl. aber noch tun werde, zu denen mal irgendwas hätte sagen könnte, aber ich wollte mich mal auf die beschränken, die dann irgendwie mehr oder weniger zufällig damit hängengeblieben wären, dass ich sie am meisten und liebsten gehört hätte und/ oder irgendwas daran besonders erwähnenswert finde. 

Und das wären 2023 die folgenden gewesen:

ACID KING - Beyond Vision
Jau, mich selbst überrascht dieser alphabetisch erste Eintrag wahrscheinlich noch mehr als Euch, denn wenn ich mal ganz ehrlich bin, dann hatte ich ACID KING schon eher abgeschrieben. Das acht Jahre zurückliegende "
Middle of Nowhere, Center of Everywhere" der auch zuvor schon nicht so wirklich superspektakulären Band ('Free' ist ja eine Hymne vorm Herrn, aber...) fand ich wohl irgendwie weitgehend nichtssagend, während mein Enthusiasmus für derartigen Stoner-Doom im Allgemeinen seitdem ebenfalls ziemlich zurückgegangen war. Auch mit solcher „Stoneburned from the Underroad to Desert Valley-Musik ist's halt wie mit diesen ganzen Marvel-, DC-, Star-Wars-Filmen und -Serien: „Früher hatten wir nichts“, aber ab so einem gewissen Punkt der multiversalen Shitshow-Übersättigung reicht's dann auch erstmal wieder und man braucht kein schabloniertes Sequel des Reboots vom Spin-Off des mäßigen Prequels mehr... 
Als ich allerdings in einem Review las, Band-Matriarchin Lori S. würde auf dem neuen Album mit komplett erneuerter Mitmusikerbesetzung (Zweitgitarrist Jason Landrian kennt man von Black Cobra und Cavity!ihren Gesang spärlicher einsetzen, um mehr Platz für ausgereiftere Kompositionen mit Postrock-Schulterblicken zu lassen, die ihren Stoner-Fuzz-Sound so ein bisschen in abdunkelnde Sonnenuntergangs-Stimmungen führen sollen, und dann zufälligerweise in der Abenddämmerung des ersten so richtig warmen Tags des Jahres, während einer erstaunlich entspannten Woche tatsächlich doch mal reinhörte, da war's dann wohl einer dieser seltenen Momente, in dem ausnahmsweise mal alles passte.
Klingt vielleicht abgedroschen, war aber wirklich so. 
Nachdem ich monatelang meine Primärrotation an Drum'n'Bass-Brummklöppel, sowie drumrum etwas Drone, Dub und IDM nur sporadisch für Noiserock- oder Doom-Platten unterbrochen hatte, war's ausgerechnet der Bandcamp-Testlauf der neuen ACID KING, der mich in eine unerwartete „Och joah, vielleicht hätte ich ja jetzt doch mal wieder Lust auf so ein Psychrock- und Metal-Open Air“-Laune brachte.
Sicher, müsste man überkritisch das Langhaar in der Pilzsuppe finden, weil man zu den Schülern des beamtenmäßig-stromlinienförmigen Spießer-Musikjournalismus zählt, dann könnte man was von „kreativem Bankrott“ oder eine ähnliche Floskel faseln, weil's hier zwischen der jeweils instrumentalen Eröffnungs- und Schlussnummer sage und schreibe ganze zwei Songs im mehr oder weniger gewohntem Stil gibt (das lässig-heavy treibende 'Mind's Eye' und der wirklich ziemlich hymnische Titeltrack) und auf der Albummitte mit dem Lauf von '90 Seconds', 'Electro Magnetic' und 'Destination Psych' dann einen Weirdo-Canyon zwischen eigentümlichem Arrangements, Psychedelic-Jams, experimentelleren Sounds und einem zugegeben nur so mittel nötigen Kurzzwischenstück ('Destination Psych'), auf den der eine oder andere puristische Rockmusik-Versteher sicherlich mit „was sollte das denn jetzt?“ reagiert haben dürfte. Bei mir war's dann aber doch eher so „das ist ja cool!?“, als sich '90 Seconds' als waberndes Heavy-Psych-Drone-Gesangsstück etwas abseits des gewohnten Trampelpfads entpuppte und zusammen mit dem achtminütigen Instrumental 'Electro Magnetic' so einen gewissen (Vorsicht, albern) „Industrial-Pink-Floyd“-Vibe versprüht, wie man ihn auch von jüngeren Ufomammut-Outputs kennt und schätzt. (Also ich zumindest.)
Und tatsächlich hat Lori S. mit all dem einen nicht gänzlich abwegigen aber doch etwas unerwarteten Move vollzogen, der mich bei ihrer Musik doch mal wieder mitziehen wollen ließ.
Man sollte außerdem noch erwähnen, dass die Heavyness, die Landrian addiert, dem Ganzen wirklich ganz gut steht.     
Ferner, dass ich die Kompaktheit dieser facettenreichen Platte heutzutage im Rock-/ Metal-Kontext auch schon wieder mehr zu schätzen weiß als so manchen 2LP-Marathon voller Selbstwiederholungen. 
"Beyond Vision" mag einen jetzt vielleicht nicht hell damit anstrahlen, ein epochaler Instant-Klassiker zu sein, aber in einer Welt, in der es trausende von Jungspund-Bands gibt, die Kyuss oder Electric Wizard nacheifern und dabei doch nur wie Konventionalzuschnitte uninspiriert-braver Schwiegersohn-Varianten davon klingen, hat ein Original dieser Ecke noch mal ein Album vorgelegt, das sich auch ein bisschen was anderes traut anstatt nur nach sogenanntem „Schema F abzuliefern. Mir gefällt dieser etwas „experimentelle Anstrich“ (gna) ganz gut. Und wer das nicht rafft, der hat dieses Musik(er)-Ding vielleicht noch nie so wirklich kapiert.


ALIX PEREZ & HEADLAND - Hellion
(
1985 Music)
Den 1985 Music-Labelbetreiber ALIX PEREZ kennt man eigentlich vor allem für Drum'n'Bass-Musik und artverwandtes der eher luftigeren als derberen Gangart, allerdings gehörte die dann doch etwas dunkler und schwerer vibende Perez/ Bou/ Trigga-Kooperation "Back To Basics" (deren B-Seite "Under Pressure" ebenfalls nicht zu verachten ist) zu den Rap-gewürzten Klopfer-Clubhits der vergangenen 1-2 Saisons.
Das Kooperationsalbum mit dem Neuseeländer Gene Warriner alias HEADLAND schlägt noch mal ganz andere Töne an, denn geboten wird in Halftime groovender und im Kriechtempo wabernder, oszillierender, fräsender, tackernder und stampfender Düsterkaputt-Dubstep - d.h. nicht (!) alberner BratzBratz-FiepFiep-Brostep - weitgehend bar jeder Heiterkeit, der auf einer semisurrealen Schnittstelle von Dark Ambient und Hip Hop, oder auch wie "Illbient" im Grime-/ Trap-Update, bei jemanden (entsprechend altem, Metal-sozialisiertem) wie mir unweigerlich auch die obligatorische Mick Harris-/ Scorn-Referenz aufruft.
Gelegentlich legen abgepfiffenere Sounds einen Spiralflug aus den auch schon mal angeknickten Drum-Grooves, drückenden Subs, brummenden Bässen, verhallten Samples, Dub-Echos und rauschenden Texturen raus hin, verschwinden aber ebenso schnell wieder in der unwirklichen Paralleldimension von "Hellion".
Ursprünglich entstand der Dub ja unter der jamaikanischen Sonne, an dieser Stelle bebt, bollert und brummt er aber wirklich nur noch im britischen Industrieruinen-Bunker - auch wenn der Sound dabei trotz aller Verdunklung nicht komplett „dicht“ ist, sondern durchaus noch Luft zum atmen lässt.
Interessant auch, wie sich das Album immer mehr zuspitzt, denn vor allem bei den letzten beiden Nummern wabert's dann erst noch so richtig heavy und dringlich.
Und eigentlich ist das Musik, die man erst „versteht“, wenn man sich ihr mit der richtigen, weit aufgedrehten Anlage hingeben kann, sich an heftig vibrierenden Boxenmembranen erfreut, oder sie meinetwegen auch mit guten Kopfhörern in entsprechender Tiefe auf sich wirken lässt.
Veröffentlichungen wie diese lassen mich in meiner verkümmerten Phantasie eigene Soundsystem-Partys schmeißen, damit ich das Ganze mal in wirklich adäquater Lautstärke hören, bzw. mich davon Ganzkörper-föhnen lassen könnte. Und in einer gerechten Welt würden jene Hipstermetaller, die sich bei Sunn o)))-Konzerten zwei Stunden am Stück zum Gedröhne die Beine in den Bauch stehen, aber jedwede elektronische Clubmusik per se ablehnen, dann raffen, dass das alles so weit gar nicht mal voneinander entfernt ist. Aber was der Bauer nicht kennt, das frisst er halt nicht, und eigentlich bin ich ja auch froh diese Leute nicht auch noch etwa beim Bassmusic-Nischenevent selbstgefällig in der Gegend rumstehen zu haben... Ich schweife allerdings mal wieder ab...
Da sich meine musikalischen Hauptinteressen und Schwerpunktvorlieben in den letzten paar Jahren nochmal immer mehr zu DJ-Mix-Musik und Dub-Schlagseiten erweitert haben und mich die vagen 
Bassgewalt-Gemeinsamkeiten von derartigem über Drone zum Doom suchen und finden ließen, war "Hellion" 2023 eine 2LP, die mit ihrer Mixtur aus klangkünstlerischem World-Building der düster-atmosphärischen Natur und stilistisch zeitgemäßen Headnod-Tanzbarkeitsmotiven abseits des Mainroom-Dancefloors durch eine weit offene Tür marschiert kam.


BIG|BRAVE - nature morte
(Thrill Jockey Records)
Sicherlich könnte man 
auch an dieser Stelle erstmal einige der üblichen Vollprofi-Plattitüden auspacken, in die Richtung, wie BIG|BRAVE sich auf dem phantastischen letzten (regulären) Album erst nochmal so richtig mit neuem Line-Up gefunden hatten und jetzt hörbar einen noch natürlicheren Flow als zuvor demonstrieren oder sowas. Die Tatsache, dass sich das nach abgelutschter Printmag- und Webzine-Schreibe von gestern lesen würde, die würde es allerdings nicht unwahrer machen.
Man könnte auch hinkende Gleichungen darüber zusammenkonstruieren, wie das kanadische Trio Folk-Einflüsse und Anwandlungen Björk'schen Schräg-Pops auf eine Art und Weise in eine doomige Noise-/ Postrock-Wand einbettet, die nahelegt, dass man im Camp BIG|BRAVE sowohl das eine oder andere Swans-Album gehört hat (stampfenden "Filth" genauso wie fließenden "The Seer"), als auch Sunn o)))'sche Dröhnereien zu schätzen weiß. 
Das alles wär' aber alles auch nur Blablabla, denn man muss es halt wirklich selbst gehört haben, wie sie hier einfach, nicht nur mal wieder, sondern auch noch weiter wie keine andere Band klingen.
Es ist nämlich einfach nur sensationell, beeindruckend, einnehmend, faszinierend. Es ist  wirklich anders als alle anderen Bands. Nicht einfach nur eigen, sondern emotional und authentisch, genauso kantig wie fließend, genauso schwebend wie schwer.
BIG|BRAVE werden wirklich immer besser und sind inzwischen sogar so gut, dass ich an dieser Stelle nicht mehr so wirklich weiter weiß, wie ich zu dieser Architektur denn dann noch tanzen soll. Eine Kapitulation, die das größte aller Komplimente ist.
Und ich sach’s dann jetzt mal ganz, ganz offen, als die gelegentliche Bissigkeit, die ich mir trotz Altersmilde mal zu Eurem Amüsement erlaube: Dass es hauptberufliche Musikjournalisten gibt, die im Rahmen solcher Events wie dem Roadburn mit narzisstischer Geltungssucht Pseudohippie-Rockstars bauchpinseln, aber die Großartigkeit einer Band wie dieser absolut nicht raffen können, das tut mir für BIG|BRAVE, die weitaus mehr Zuspruch als nur den von Nerds wie mir verdient hätten, zwar ein bisschen leid, aber dass Nerds wie wir diese Band somit für uns haben, das ist zumindest für Nerds wie uns dann ja irgendwie doch auch fast schon wieder so ein bisschen romantisch-schön, oder?
Jedenfalls sind BIG|BRAVE eine Band, die inzwischen wirklich und tatsächlich - paar Fünfer ins Phrasenschwein - in ihrer ganz eigenen Liga spielt und dabei nicht ganz so einfach zu be-/greifen ist. 
Müsste ich mich auf 'ne Jahres-Top-3 beschränken, wäre "nature morte" sehr wahrscheinlich mit drin!



DIVIDE AND DISSOLVE - Systemic
(Invada)
Kein Kampf kann je ohne Musik gekämpft werden. Gesellschaftliche Veränderungen wurden immer von ihrer eigenen Musik begleitet. Musik ist notwendig, um etwas zu bewegen. Musik hat eine Kraft und eine Macht, die wir niemals ganz erfassen werden.“ 
(-DIVIDE AND DISSOLVE's Takiaya Reed im Interview mit Deutschlandfunk Kultur)
Auch mit DIVIDE AND DISSOLVE ist's so, dass man sich ganz nüchtern betrachtet in eine der folgenden beiden Reihen anstellen könnte: In die „die machen doch echt auch immer nur das gleiche und soll das eigentlich überhaupt wirklich Musik sein oder ist das einfach nur Krach?“-Reihe oder die „das hier ist schon eine besondere Band mit eigener (musikalischer) Sprache“-Reihe. Dadurch, dass die neue Platte des Duos hier aufgeführt ist dürfte natürlich bereits klar sein, in welche Richtung ich da mitgehe.
Zwei junge Australierinnen mit indigenen Familienhintergründen brauchen keine Vocals, um  den kolonialistisch, kapitalistisch, rassistisch und sexistisch geprägten Strukturen unserer Welt ihre Wut entgegenzusetzen. Sie tun es instrumental und haben dabei mit ihrem  megabrachialen Drone-Sludge-Doom-Metal eine wortlose Sprache gefunden, die ich tatsächlich gut verstehe. Und diese Sprache ist konsequent. Sie zeichnet nicht lautmalerisch lauwarme Geschichten, wie's so viele mittelmäßige „Post-Rock/ Instrumental-Metal“-Bands vermeintlich gestandener Männer tun, sonst setzt sehr direkt durchschlagende Statements von Flächenbrand-Format.
Allerdings: Doch, man kann durchaus sagen, dass DIVIDE AND DISSOLVE ihren Stil auf diesem vierten Album (
nebenbei bemerkt dem zweiten auf Invada, Label von Geoff Barrow, auch treibende Kraft der Bands Portishead und Beak>!) noch ein bisschen auszuweiten wissen. Da ist noch mehr nuancierte Atmosphäre im Gitarren-Ton und im Drumming-Groove. Ja, da steckt noch mehr Gefühl und Ausdruck drin.
Ob Schlagzeugerin Sylvie Nehill wohl Fan von Earth' 
Adrienne Davies ist? Ich bin's jedenfalls ohne Frage von beiden! Dass Nehill die Band nach diesem Album, zumindest als tourendes Regulär-Kernmitglied verlassen hat ist schade, aber sie wird ihre Gründe haben.
Zurück zum Album: Geloopte Saxophon-Einlagen und kammermusikalisch anmutende Passagen verweben sich  wie gewohnt mit wuchtigst-kantigen Lärmereien von ganz eigener Handschrift, mit noch mehr Dringlichkeit als beim Vorgängeralbum.
Eher Genre-untypisch bleibt der längste Song dabei trotz aller Lautstärken-Epik unter der Sieben-Minuten-Marke, die meisten Tracks wollen sowas wie punkige Ausrufezeichen sein. Zwischendurch ein lyrischer Gastvortrag, dann wieder Zerstörung. Zerstörung mit Feeling und Seele.
Wie 
DIVIDE AND DISSOLVE's weiterer Weg nach Trennung des Gründungsduos aussehen und klingen wird, das muss die Zukunft zeigen. Als testamentarisches Abschlusskapitel ihres ersten Zyklus, oder wie auch immer man das nennen will, ist "Systemic" allerdings in seiner Konsequenz ein ohne Frage beeindruckendes Werk. 


DJ TRAX - Break from Reality 
(Over/Shadow) 
Eröffnen wir nun einen alphabetisch zufällig so fallenden Dreier-Lauf durch mein Lieblingsding abseits von Gitarrenlärm: Clubmusik wie eben Jungle/ Drum'n'Bass ist ja ein eher Singles-/ EPs-lastiges Musikgenre als ein Album-Genre, aber es gibt sie halt durchaus auch, die interessanten Langspielveröffentlichungen in diesem Feld.  
Over/Shadow haben 2023 direkt mal eben drei davon rausgetan. Die dritte war "Break from Reality" von David Davies aus Essex alias DJ TRAX (parallel zu einer ebenfalls empfehlenswerten 12” Single, die ihn nach Jaaahren auch mal wieder mit Paradox zu ihrem gemeinsamen Projekt Mixrace vereinte). 
Und "Break from Reality" ist tatsächlich auch eines dieser Alben, das vor allem auch als Album funktioniert. Dabei führt es uns in ein Territorium, welches früher nicht unbedingt meine Go-to-Variante derartiger Musik war, inzwischen aber doch eine Genre-Spielart ist, zu der ich eine stetig wachsende Zuneigung entdecke: Der eher luftig-atmosphärischere Rand eines old-schooligeren Jungle-Sounds. So geil ich vornehmlich düsterhart hämmernden Drum'n'Bass in der Natur der Sache (als Honk mit Metal-Sozialisierung) auch finde, zieht es mich in letzter Zeit recht deutlich doch auch immer mehr zu solchem, der einen eher etwas leichtfüßigeren Spirit versprüht.   
Ein paar Nummern der 2LP tackern zwar auch schon mal etwas wilder, die meisten der acht Tracks nehmen aber doch eher die eine oder andere Kurve zu Stimmungen mit fast schon Chillout-Vibes. 
Besonders hervorzuheben ist dabei z.B. das jazzsteppige ’Long Rhode Home’. Einfach nur wunderbar.  
An anderer Stelle sticht 'Reflections' als die Nummer heraus, die am wildesten flackert. 
Weitere Songs haben dann auch noch diese einerseits etwas dunkel-kühl umrandete, dennoch sehr soulfulle Aura, die eigentlich typisch für viele Metalheadz-Releases wäre. 
Was, ich wiederhole mich, lange nicht so wirklich das war, was ich von Drum’n’Bass gewollt habe, denn ich brauch(t)e es eigentlich kräftiger und düstere, oder auch mal im Ragga-lastigen Party-Mode.  Aber 2023 war dann irgendwie doch das Jahr, in dem auch meine Lust auf weniger hart und heftig kloppende Genre-Spielarten größer wurde. Altersmilde und so. 
Und da kam "Break from Reality" wohl gerade recht.  


DOM & ROLAND - Against a Dark Background
+DOM & ROLAND - Eminence / Time to Change
(Over/Shadow)
Over/Shadow zum zweiten: Dominic Angas und sein S-760 alias DOM & ROLAND enttäuschen ja eigentlich nie. Während der passend betitelte, 1998er Langspieleinstand "Industry" auf dem legendären Moving Shadow-Label als einer der wegweisenden Subgenre-Referenzklassiker schlechthin gilt (obligatorischer „Habbich sogar original auf Vinyl!“-Klammerkommentar an dieser Stelle), gab's zwischen seinem sehr guten letzten Album, dem 2020er "Lost In The Moment" und diesem Nachfolger z.B. ein paar 12"-Singles über das Moving Shadow-Sequel Over/Shadow oder sein eigenes Label, die so viel Substanz in Form von originellen Ideen und Soundqualität demonstrierten, dass er sich damit in meiner Wahrnehmung sogar von vielen anderen Drum'n'Bass-Produzenten noch weiter absetzte. Denn gerade auch seine physisch veröffentlichten Tunes der letzten Zeit sind oft nicht einfach nur generische Positionen für DJ-Mix-Stücklisten, die man nächste Woche schon wieder vergessen hat, sondern kleine Kunstwerke für sich mit nicht zu verachtender Eigenidentität, obendrauf dann auch noch zugleich von einer beachtenswerten klanglichen Transparenz wie auch drückenden Schwere.
Interessanterweise neigte Dom gerade auf seinem aktuellen 2LP-Album dann doch wieder etwas mehr zu seiner Vision von straighter Genre-Arbeit als bei einigen seiner letzten Singles davor oder danach: 
"Against a Dark Background" enthält vor allem zeitlose Drum'n'Bass-Musik, die eine Spätneunziger-Techstep-Kante mit zeitgenössischer Produktionspräzision umsetzt.
Ein rausstechender Hit ist dabei im Albummaterial schnell ausgemacht, denn der Erstdurchlauf von 'Clash of the Titans' war noch nicht ganz vorbei, als mir schon klar war, es hier mit einem meiner Instant-Lieblingstunes des Jahres zu tun zu haben. So groß und mächtig wie es der Titel verspricht, auch wenn der Sound für Dom-Verhältnisse dabei fast schon ziemlich muddy ist.
Sicher könnte man argumentieren, dass die anderen sieben Tracks drumrum mit diesem Trompeten-Sample-Ohrwurm dann nicht ganz mithalten können, wie's ein Bandkollege von mir sogar tatsächlich tut. Grundsätzlich mag ich Dom's Stil mit sowohl Punch als auch Atmosphäre aber halt sehr, welcher hier wieder etwas mehr Kante und „Grit“ zeigt, auch deutlich düsterer ist als auf dem mitunter eher pittoresk-minimalistischem "Lost In The Moment". Und so finde ich auch Nummern wie etwa den auf der Mitte erst noch so richtig drauflos knallenden Opener, das kühl scheppernde 'Duttydrum' mit dem clever gesetzten „Whoo!“-Sample, das treibend drückende 'Reinforced' oder das auf einmal gröber Synthbass-brummbollernde 'Scatter
' ziemlich geil.
Die parallel veröffentlichte Bonustracks-Single "Eminence / Time to Change" gehört dann allerdings auch noch dazu und hat - während das zunächst unscheinbare, in der zweiten Hälfte unvermittelt auf einmal doch noch in 'ne Reese-Bassline ausbrechende 'Eminence' auch nicht ganz zu verachten ist - mit dem Big-Beat-/ Trip-Hop-Vibes im besten Sinne versprühendem Vocalsample-Halftime-Groover 'Time to Change', der thematisch eine Sehnsucht nach besseren Zeiten (für alle) behandelt, den Riesenhit des Wurfs zu bieten. Wow!
Durchaus ein sog. Grower und ohne Frage einer meiner persönlichen Jahresabschluss-Spitzenreiter, wohl kein Album habe ich 2023 öfter gehört!
Und dass es dabei nicht blieb, sondern Dom '23 noch so einiges an weiteren Singles/ EPs raushaute, das war dann obendrauf auch noch gerne mitgenommen. 


EUSEBEIA - X
(Samurai Music)
Seb Uncles veröffentlichte als EUSEBEIA über die letzten 7-8 Jahre ja auch nicht gerade wenig. Von Tapes auf seinem eigenen Label, über den gelegentlichen Digital-Release (darunter zunehmende Kollaborationen mit Aisatsaana) oder Compilation-Beitrag, bis zu Vinyl-Singles/ -EPs und halt sogar Alben über in ihrem Feld durchaus namenhafte Label wie Future Retro, RuptureRepertoireWestern Lore oder eben Samurai Music kommt da inzwischen schon so einiges zusammen. So viel, dass ich kürzlich ganz bewusst beschlossen habe - so albern das jetzt vielleicht auch klingt - über dieses Album hinaus eben nicht anhaltend sein größter Fan sein zu wollen, weil mich bei einer derartigen Schedule am Ball zu bleiben (und dabei dann auch noch irgendwelche UK-Importe auftreiben müssen etc.) leicht wahnsinnig machen könnte (#FirstWorldProblems).
In den Kosmos von EUSEBEIA gelegentlich mal einzutauchen lohnt sich allerdings dennoch, denn der Name steht für einen eigenen Stil: Atmosphärischer Neuzeit-Jungle, der an angrenzenden Stilstichwort-Regionen eher auch solche wie Ambient, Dub, meinetwegen auch Trip-Hop streift, als zu Szene-Subströmungen wie heiterem Retro-Rave, modernem Brostep-/ Neuro-/ Jump-Up-Bratzgeballer oder zum (eigentlich durchaus Label-typischenDüster-Halfstep zu neigen. Halt gerne auch mal tempomäßig einen Gang zurückgenommener anstatt zackigstes 175-BPM-Gekloppe aus der Hüfte zu schießen, eigentlich fast schon wieder mehr Wohnzimmer- als Clubmusik. Weswegen das gelegentliche Album da zwischen den ganzen EPs und Singles auch mehr als Sinn macht.
Unter den zwölf Tunes von "X" gibt es darüber hinaus allerdings doch auch schon mal das kräftiger tönende Breakbeat-Feuerwerk im Vordergrund, wie z.B. bei 'Incline', 'Internal Combustion Of Fear' oder 'Into The Unknown'. Auch eine Nummer mit etwas angenoisten Sounds wie 'The Crossing' zeigt EUSEBEIA auf diesem Album von einer etwas härteren Seite als bisher gewohnt, schreitet dabei allerdings trotzdem durch die SciFi-Pforte in eine surreale Paralleldimension.
EUSEBEIA's Sound ist auf den ersten Hinhörer abseits der Breakbeats oft eher minimalistisch, bei genauer Betrachtung dann aber immer wieder mal doch auch sehr detailreich.
Und es ist wohl nicht zu weit gegriffen jetzt mal langsam aber sicher damit anzufangen, den noch verhältnismäßig jungen EUSEBEIA in einer Reihe mit eigenständigen Vorbildern britischer Breakbeat-Musik wie Paradox oder Dom & Roland zu nennen, denn in deren Liga ist er mit "X" ohne Frage angekommen.


GASWAR - Girl Vanishes on Way To Jive Club
(Rock is Hell)
Für Aficionados originalen Noiserocks, und als solchen würde ich mich durchaus bezeichnen, hatte das österreichische Label Rock is Hell als Vertrieb diesseits des großen Teichs im Jahresendspurt dann noch mal eben ein richtiges Highlight für Spezialisten zu bieten:
Wahnsinnsdrummer Jeff Mooridian Jr. und seinen Saitenkollegen Apollo Liftoff kennt man natürlich von Hammerhead - meine absolute Lieblingsband aus der Amphetamine Reptile-Liga - sowie deren Duoformationsnachfolger Vaz (auch nicht ohne, besonders hoch ist "Dying to Meet You" bei mir im Kurs), Chefweirdo Kevin Rutmanis wiederum war natürlich bei den Oberweirdos Cows dabei und zeitweise auch mal Melvins-Basser gewesen. 
Ende der Neunziger jammten sie schon mal zusammen, Dekaden später beschlossen sie nun, die Sache noch mal aufzugreifen und die unvollendete Musik zu einem Album zu finalisieren.
Und e
s kam, wie es kommen musste, wenn diese drei zusammenkommen:
Die acht Songs von "Girl Vanishes on Way To Jive Club" sind ein herrlich entfesseltes, infernalisches, verschrobenes Fest an schrammeligem, quietschig-krachigem, immer wieder mal ungeniert völlig aushakendem, rabiat und wild um sich schepperndem und weird-psychedelischem LoFi-Noiserock, bei dem der Noise im Lauf der ersten Albumhälfte passagenweise immer wieder mal noch ein bisschen größer geschrieben wird als der Rock, auch wenn die kürzesten beiden Stücke gegen Ende (das gemäßigte 'Midnight at the Bush Foundation' und das punkige 'Mom and Dad and Father') mal kurz etwas mehr Struktur antäuschen, bevor die Schlussnummer einfach nur in sich zerfällt. 
Weder versuchen sie zugängliche Standard-Songs zusammenzuschustern, noch hat man das Gefühl, es hier mit einer Art von gewollter Antihaltung zu tun haben, man erlebt hier schlicht und ergreifend drei Veteranen unangepassten Krachs, wie sie ihren Spaß an eben solchem haben, und das vielleicht sogar mehr denn je. 
Wie genau man dabei Kelleraufnahmen von damals in der Neuzeit noch mal aufbereitet und vollendet hat ist von außen irgendwie egal, GASWAR ist Zeitkapsel und Neubeginn zugleich.
Wenige Tage vor Weihnachten wurde ich dann jedenfalls doch auf einmal noch von einem anti-audiophilen Grinch-Hörerlebnis auf der Grenze zum Sadomasochismus aus meinem davor noch angesagten Dub- und Atmospheric-Jungle-Kuschelkurs gerissen, der mich in eine fast schon Hippie-eske Grundhaltung versetzt hatte, um mich dann doch noch drauf zu besinnen, was ich eigentlich bin: Ich bin ein total beknackter, hässlicher Weirdo, der sich von total beknackter, hässlicher Weirdo-Musik am meisten verstanden fühlt. Back to nature where we can be faster and harder, louder and free.
Wer könnte genau das nicht noch besser liefern als eine nicht so ganz nüchtern klingende Verschmelzung von Vaz mit Kevin Rutmanis
Es ist halt fast schon zuuu logisch...


GODFLESH - Purge
(Avalanche)
Kein Scheiß: Fast hätte ich "Purge" nach dem Motto „Joah, neuzeitliches GODLFESH-Album halt, was soll ich da jetzt sonst noch zu sagen, außer 'ich mag's'?“ unter etwaigen „Honorable Mentions“ abgetan. Und auch das mag jetzt von außen etwas albern wirken, aber als der Sommer in dunkelkühles Dauerregenwetter kippte, was meine zu der Zeit eh schon etwas gestresst-angeschlagene Laune weiter mit nach unten zerrte, da war ein  aktuelles GODLFESH-Album der genau richtige Soundtrack dafür.
Dass ich die tendenziell eher roughe anstatt geglättete Klangästhetik dieser Selbstwiederholung zwischen neandertalig-grober Brutalität, postpunkiger Dystopie und mitnehmend explosiven Maschinen-Rhythmen durchaus sehr ansprechend finde, was ich beim letzten mal halt auch schon festgestellt hatte, ist ja nichts neues.
Es ist allerdings irgendwie tatsächlich ein bisschen so, als würden die Herren Broadrick und Green sich mit jedem neuen Anlauf noch mal ein bisschen mehr dem Sound, Groove und Vibe nähern, der ihre Klassiker "Streetcleaner" und "Pure" zu bis heute unerreichten Dokumenten urban-tristesser Wutmusik macht, und mich damit jedes mal auch wieder ein bisschen mehr kriegen.  
Grundsätzlich höre ich einen auf dem Punkt gehaltenen Neumaterial-Nachschlag eines solchen Krachmacher-Originals auch eh nach wie vor schlichtweg lieber, als etwa den x-ten Häwie-/ Speed-/ Power-/ Thrash-/ Death-/ Bläck-Meddl-Klischeereiter-Aufguss, den nächsten substanzarmen Blackgaze-Screamometalcore-Ansatz, das neuste Dunkelpop-Nebenprojekt sonstiger Krawallmusikanten, irgendwelche Vintage-Hippie-Blues-Langeweile mit Schlaghose und Schnörres, durchironisierte Hipster-Funpunk-Dinger oder was sonst noch so um Aufmerksamkeit buhlen mag (jaja, ich bin der alte Mann, der über Wolken schimpft).
 „They play for the disenchanted Thrash fan who has grown bored of stage-diving and wearing crap T-Shirt“ hieß es über GODFLESH mal in einem eigentlich wenig wohlwollenden Live-Review des Kerrang!-Magazins anno 1992. Und was soll ich sagen: Wenn der Schuh passt, zieht man ihn halt an.
Die vorabausgekoppelte "Nero" EP, u.a. mit 'ner fast zehnminütigen "Dub"-Version des Stückes, kam dann natürlich obendrauf auch noch ins Plattenregal, denn für sowas habe ich schwer was übrig.


HACKEDEPICCIOTTO - Keepsakes
(Mute)
So ca. alle zwei Jahre gibt's ein neues Album von Danielle de Picciotto und ihrem Ehemann Alexander Hacke („of Einstürzende Neubauten fame“) unter HACKEDEPICCIOTTO-Banner und mit jedem mal finde ich ihre postapokalyptisch anmutenden Klagelieder und Beschwörungsrituale zwischen Folk-Grundsteinen, neoklassischen Schulterblicken, Tribal-Elementen, Postrock-Ansätzen, Drone-Versatzstücken und 'nem Hauch von Industrial eigentlich auch noch mal wieder eine Ecke spannender. 
Meine Wahrnehmung von "Keepsakes" ist dabei allerdings, dass die neun Stücke insgesamt, nun ja, 
etwas weniger „experimentell“ und dafür mehr „auf dem Punkt“ ausgefallen sind, das wiederum aber in verschiedene Richtungen, und dieses mal auch noch etwas positiver. 
Ja, a
uch das alles liest sich jetzt wie ganz schlimme Musikjournalisten-Floskeln von gestern, HACKEDEPICCIOTTO haben allerdings ohne Frage ihr eigenes musikalisches Vokabular gefunden, mit dem sie auf keinen Fall immer wieder die gleichen Geschichten gleich erzählen wollen. Diese mal sind die neun Stücke dabei eine Ode an die Freundschaft und Lieder über Dankbarkeit. 
Die Art und Weise, wie die Stücke 'Anthem' oder 'Schwarze Milch' mit Jazz-Elementen spielen hat dabei was von alten J.G. Thirlwell-Werken, 'Aichach' und 'Mastodon' wecken vage Filmscore-Assoziationen, vor allem 'Song of Gratitude' klingt auch wie etwas, das Denovali Records vor 10-15 mal rausgebracht hätten (was ich durchaus als Kompliment meine) und dazwischen betört das Paar dann auch noch mit ein paar lytischen und musikalischen Geschichten auf der Folk-lastigen Seite ihrer Stilbandbreite, abgerundet (oder vielleicht auch am Ende etwas offengelassen) durch ein irisches Traditional.
Was ich persönlich an 
HACKEDEPICCIOTTO dabei einfach irgendwie gut finde, das ist wie sich die Beiden ihr ganz eigenes musikalisches Universum erschaffen; mit nicht zu komplizierten Mitteln ziemlich Interessantes umsetzen; eine eigene, durchaus weitgefasste künstlerische Sprache haben, deren Erzählung keine ist, wie man sie jede Woche hört.   
So war es schon die letzten drei Alben davor, wie auch bei diesem, und mutmaßlich auch wieder beim nächsten... 



LOUD AS GIANTS - Empty Homes
(Consouling Sounds)
Musik 2023 war aus meiner persönlichen Konsumentenperspektive nicht immer ganz einfach. Offensichtlich durchlaufe ich derzeit eine Phase, in der ich von Jazz-Dub über Bigroom-Dance-Music 
bis zu dem einen Abrock- oder Ballerbrüll-Album der Saison, in das ich dann doch mal wieder reinhören möchte, zwar so einiges unterschiedliches mal anchecken wollte und das eine oder andere davon dann auch durchaus für den Moment goutieren konnte, dann wiederum aber eigentlich nicht mehr so wirklich von irgendwas überrascht oder mal so richtig eingenommen werde. Ja, sehr wahrscheinlich liegt das einfach nur an mir selbst, meinem abgeklärten Alter inkl. recht domestiziertem Mindset und Lifestyle, den entsprechenden Alltagsgewohnheiten meiner aktuell schon mal etwas Restfreizeit-defizitären Lebensphase, whatever.
Jedenfalls ist’s mehr und mehr so, dass „neue“ Bandnamen in der Playlist dann oft eigentlich auch nur Mogelpackungen der immergleichen Referenzen sind. Das neuste Nebenprojekt von Leuten, deren Kram ich seit meiner Jugend verfolge, die man jedes Jahr auf einem Event wie dem Roadburn sehen kann, die teilweise sogar irgendwie mit persönlichen Umfeldern von mir verwoben sind, und manchmal auch mehreres davon gleichzeitig.
"Empty Homes" ist so ein Fall, denn hinter LOUD AS GIANTS stecken der auf diesen Blogseiten relativ inflationär auftauchende Justin Broadrick (s.o. Godflesh, The Blood of HeroesJK FleshJesuTechno Animal bzw. ZonalTech Level 2 etc. pp.) und der belgische Ambient-Drone-Vorreiter und zuletzt immer mehr Richtung Jazz gegangene Gitarrist Dirk Serries (auch Continuum, Fear Falls Burning, Vidna Obmana usw.), welcher wiederum u.a. auch ein gelegentliches Impro-Kollaborationsprojekt mit jemanden betreibt, der tatsächlich außerdem in einer Band mit mir spielt. Und irgendwie sind's dann heutzutage häufig doch auch solche Verstrickungen, die den Hauptimpuls für einen Plattenkauf geben.
Diese LP habe ich z.B. tatsächlich eine Woche vor offiziellem Release mit nach Hause nehmen können, als Serries beim Moving Noises Festival auftrat. 
Das Teil enthält vier instrumentale Stücke interessanter Freiform-Musik, jeweils um die elf bis zwölfeinhalb Minuten, die dabei stilistisch garnicht mal sooo einfach einzutüten sind:
Gitarren und Synths verweben sich um rhythmische Elemente wie auch mal angezerrte Konserven-Kickdrums, so dass von Ambient/ Drone über sowas wie Postrock und ein bisschen Doom bis zu Anflügen von industriellem Broken-Beat-Techno und glitchy IDM irgendwie alles mit drinsteckt.  
Tatsächlich kommt derartiges meinen musikalischen Interessen dieser Tage eigentlich sogar ziemlich gut entgegen. Denn mal ganz abgesehen davon, dass diese Stichworte stilistischer Versatzstücke den zunehmenden Vorlieben fetischistischen Ausmaßes von mir entsprechen, finde ich Musik garnicht mal so selten halt gerade dann ansprechend, wenn sie einem einen gewissen Raum zur Ergründung lässt. Sie eben nicht aus generischen Strophe-/ Refrain-Standardmustern besteht, die man mit einem Durchlauf erfassen und abhaken kann, sondern dazu einlädt, immer wieder mal zu ihr zurückzukommen, weil das bessere Kennenlernen dann irgendwie doch schon mal ein bisschen länger brauchen kann. 
Und so war auch "Empty Homes" eines dieser Alben, das im Laufe des Jahres immer wieder mal rotierte und faszinierte.


MAGGOT HEART - Hunger
(Rapid Eye/ Svart)
Die Wahlberliner:innen MAGGOT HEART sind ein echt spezieller Fall. Einerseits tat ich den involvierten Musiker:ïnnen früher wohl etwas Unrecht damit, ihnen so eine Aura von Trve-Gehabe anheften zu wollen und einige ihrer ehemaligen Betätigungsfelder prinzipiell unsympathisch finden zu müssen, andererseits tourte man dann allerdings u.a. mit 
Voïvod oder Unsane, positionierte sich also in der Total-mein-Ding-Ecke. Einerseits neigt ihre Musik durchaus so ein bisschen in den klassischen Hardrock, den ich irgendwie lange hinter mir gelassen zu haben meine, andererseits sorgen Postpunk-, Noiserock- und Schräg-Metal-Tendenzen Richtung Killing Joke oder eben Voïvod dafür, dass sie sich aus dieser Total-mein-Ding-Ecke eben auch nicht mehr vertreiben lassen wollen.
Sie sind eine Heavy-Metal-Band mit experimentellen Ecken und Kanten, 
auf diesem durchaus existenten Knotenpunkt von Alice Cooper und Amphetamine Reptile, zwischen Motörhead'scher Sex-, Drugs- und Rock'n'Roll-Zeitlosigkeit, old-school-feministischer Mittelfingerattitüde, der korrodierenden Atmosphäre urbaner Dystopie im Schatten Berliner Bunker, einer ordentlichen Portion an skandinavischem Black-Metal-Spirit, dem gelegentlichen Tritonus-Quietschriff mit Salut in Richtung Denis "Piggy" D'Amour (Rest in Power) und einer Tendenz, trotz aller Liebe für Musik von Blue Öyster Cult bis Celtic Frost z.B. auch mal 'ne Noiserock- oder Weirdo-Krach-Band auf dem eigenen Label rauszubringen, oder das Record-Release-Konzert mit 'nem Industrial-Techno-Abend zu kombinieren (finde 
im Netz gerade irgendwie nicht mehr sowas wie einen Flyer dazu, bin mir aber ziemlich sicher, dass sowas in der Art mal stattfand).
Kennt man die Metal-Fan-/ Hobbykünstler-Kreise, in denen ich mich früher viel bewegt habe, dann ist diese Offenheit in die wirklich abseitigeren Richtungen durchaus erwähnenswert. 
Es wirkt vielleicht ein bisschen klischeehaft konstruiert, wenn ich das so aufrufe, aber in einer Welt, in der sich die meisten Rock'n'Roll-People und Meddlkudde-Träger da draußen nur noch nach Zahlen gemaltes und nach Regeln gespieltes vorsetzen lassen wollen, und das halt auch von vielen uninspirierten Wiederkäuerkapellen bekommen, in der sind MAGGOT HEART eine der letzten Lederjacken-Bands, der tatsächlich noch eine gefährliche, unzähmbare Ausstrahlung anhaftet, die dieser satten, müden, durchgenormten Spießer-Szene ansonsten weitgehend abhanden gekommen ist.
D
eswegen kam auch ihr dritter Longplayer selbstverständlich wieder ins Plattenregal. 
Das Cover ist komisch, dafür überzeugen die acht Songs aber um so mehr.
Und seht es mir 
bitte nach, jetzt eben doch nicht im Detail darauf einzugehen, wie die eine Nummer wilder abgeht und die andere getragener ist, die jeweiligen Schlussnummern von A- und B-Seite gelungen gesetzt sind; dass man, wenn man sie hören möchte, sogar Jesus-Lizard-artige Momente ausmachen kann, und so weiter und so weiter... Denn über pure Rockmusik zu reden ist etwas, das ich sehr müßig finde. Hier greift nämlich schlicht und ergreifend diese "I know it's only Rock'n'Roll (but I like it)"-Sache (auch wenn ich wirklich kein Stones-Fan bin).
Man munkelt ja, Bandleaderin Linnéa wär' ein bisschen wahnsinnig, aber vielleicht muss man das ja auch einfach sein, um 2023 ein aufbegehrendes, kathartisches Rockmusikalbum von kreativer Substanz und künstlerischer Relevanz abzuliefern, das sogar einem inzwischen komplett Nischenkrachfetisch-versautem, müden, altem Nerd wie mir gefällt.
Dass Linnéa hier mit ihrer Rhythm Section hörbar weiter zusammengewachsen ist, das schadet als abschließende Feststellung dann wohl ebenfalls nicht.


MORNE - Engraved with Pain (Metal Blade) Dass ich abgesehen vom gelegentlichen Voïvod -, Napalm-Death- oder meinetwegen auch Carcass-Album Musik kaufe, die über eine traditionellere Meddl-Plattenfirma erscheint (wie im Falle dieses Albums via Metal Blade Records, die immerhin wiederum mit Armored Saint und Sacred Reich zwei wichtige “Alteisen-Marken” im Programm haben, die ich auch nach wie vor noch mehr oder weniger verfolge), das kommt heutzutage ja auch nur noch selten vor. MORNE wiederum sind allerdings auch eine Band auf dieser sympathischen Schnittstelle von Metal-Musik und Punk-Attitüde, auf der sie die Dunkelrock-, Doom- und Proto-Death-/ -Bläck-Metal-Tendenzen aufgreifen, die im Grunde genommen schon urzeitlich parallel in Crust-Pionieren wie Amebix und Düsterrumpel-Ikonen wie Celtic Frost steckten, um das Ganze neuzeitlich eingeordnet weiter zu stricken. Mit einem Schulterblick ins “Epic Crust”-Subgenre kommen bei den Bostonern Elemente aus kühl-atmosphärischem New-Model-Army-Postpunk, zähem Neurosis-Doom und bollerndem Bolt-Thrower-Groove zusammen. Und da, wo mir eine Band wie die At-the-Gates- und Martyrdöd-verbandelten Agrimonia eine derartige Mixtur zuletzt leider ein bisschen zu sehr in die Richtung des Göteborg'schen Dudel-Deaths gerückt haben, da haben MORNE einfach diese raue Kante, die nicht ganz untypisch für eine Band von der US-Nordostküste ist. Schon der eröffnende Titeltrack holte mich nach dem etwas zu lang geratenen Rausch-Intro auf so einer, wie gesagt rauen wie epischen, bollernd groovenden Bolt-Thrower-/ Neurosis-/ Amebix-Schnittstelle direkt wieder ab und nahm mich dann auch über die folgenden Songs komplett mit. Gerne auch auf Repeat, wie man es im CD-Zeitalter mal ausgedrückt hat. Das Ende mit Gitarrensolopart-Fadeout ist dann zwar leider etwas unglücklich-antiklimaktisch, was aber auch wirklich das einzige ist, das ich am verhältnismäßig kompakten "Engraved with Pain" auszusetzen hätte. Dass sich hier so 41 Minuten Gesamtspiellänge auf vier Tracks aufteilen, weil gut' Dinge manchmal eben doch Weile haben will, eine Platte dann aber auch reicht anstatt unbedingt eine 2LP vollmachen zu müssen, das ist dann nämlich tatsächlich auch eine Sprache, die ich verstehe. Und nein, es ist nicht so, als hätte man sowas noch nie gehört, aber für mich ist das hier einfach - vielleicht etwas trockene Produktion hin oder her - so eine „ungekünstelte“ Art von ((Crust-)Doom-)Metal, die mir eben weder klischeehaft übertrieben, noch uninspiriert nach Zahlen gemalt vorkommt, sondern eine wirklich authentische Aura mitbringt. Etwas, das man im Metal™ (und von modernem „Metalcore u.ä. fangen wir garnicht erst an) ansonsten ja leider weitgehend verlernt hat.
"Engraved with Pain" ist eines dieser Alben, das nicht wirklich irgendwie auffällig spektakulär wäre, sondern eigentlich schon verhältnismäßig „Meat and Potato“ ist, mir aber gerade auch deswegen in seiner eigenen Altherrenwutmusik-Nische, abseits von sowohl abgelutschten Schablonen-Subgenres als auch hippem Zeitgeistlärm, mehr oder weniger konkurrenzlos scheint.


NADIA STRUIWIGH - Birds Of Paradise
(Dekmantel)
Die aus Rotterdam stammende NADIA STRUIWIGH ist ein gutes Beispiel für eine Künstlerin, die einen interessanten Cross-Promotion-Spagat zwischen alter Schule und sog. neuen Medien hinbekommt. Auf der einen Seite veröffentlichte sie schon ein Album auf dem Bochumer Boutique-Label Denovali, kann sich einen Central Processing Unit Release in die Vita schreiben und legt auch schon mal DJ-Sets in namenhaften Techno-Clubs oder beim Fusion Festival auf, auf der anderen kennt man sie außerdem als „Synthtube-Persönlichkeit“, die einer nerdigen Special-Interest-Klientel für Gear-Präsentationen, Hardware-Jams, Musikproduktions-Tipps u.ä. im Internet geläufig ist, und dann z.B. auch mal im Rahmen der Superbooth vor eben dieser auftritt.
Natürlich könnte man das auch einfach als 
zwei Seiten der eigentlich gleichen Medaille abtun, dennoch bin ich der Meinung, dass auf eben dieser Schnittstelle beider Schienen gleichermaßen wahrgenommen zu werden gar nicht mal so alltäglich ist. Und eben diese Schnittstelle ist sowas wie die Einflugschneise zur Nische, in der meine „Hobby-Interessen“ der letzten Jahre am meisten zusammenkamen, zu denen neben drehenden Schallplatten eben auch gedrehte Synth-Knöpfe zählen.
Nadia's neue 2LP "Birds Of Paradise" ist jedenfalls ein Album mit gelungen ansteigender Spannungskurve:
Zunächst taucht man in Ambient-Gangarten mit obligatorischer "Blade Runner"-Aura ein, um im weiteren Verlauf der zwölf Tracks dann immer mehr von technoiden IDM-Elementen und Halftime-Broken-Beats irgendwo zwischen FSOL und Aphex mitgenommen zu werden, bis die letzten beiden Tracks sogar sowas wie flotte Jungle-Vibes mitbringen.
Womit auch hier vieles von dem zusammenkommt, was ein alter Typ mit neuentdeckter Synthesizer-Liebe 
wie ich an elektronischer Musik gut finden kann und tut.
Zusammen mit Drumcorps' nicht ganz unähnlichem, leider rein digitalen Minialbum “Night Ride” war "Birds Of Paradise", so wie im Jahr davor die immer noch aktuelle Tangerine Dream und das Ambient-Album von Blood Incantation, irgendwie interessanterweise genau die Art von Musik, die 2023 in so eine vage „genau sowas möchte ich im Moment hören“-Kategorie fiel.


SANDRIDER - Enveletration
(Satanik Royalty Records)
Etwas, das gerade auch auf Rock-/ Punk-/ Metal-Bands im weitesten Sinne, die mich besonders ansprechen immer wieder zutrifft ist, dass man ihnen diese Floskel attestieren kann, "zwischen den Stühlen zu stehen
".
Und dass sie halt keine generische Bedienung für irgendeine Subszeneschublade abspulen, sondern sich durch ein Freistil-Bermurdadreick, in ihrem Fall irgendwo zwischen Punkrock/ Post-Hardcore und Sludge'n'Stoner-Metal lärmen, das ist in der Tat auch beim Akimbo-Ableger SANDRIDER so.
(Dabei ist es im Übrigen wirklich nicht so, dass ich mir eine Band wie diese deswegen bewusst als Lieblinge aussuchen würde, sondern viel mehr so, dass mich eine solche komischerweise einfach am direktesten anspricht, ohne dass ich das eigentliche Warum wirklich benennen könnte...)
Trotz allem Gelärmes, Gepolters, Gestampfes und Geklöppels ist da so eine gewisse Leichtigkeit in der spielerischen Attitüde des Trios, die man von vielen anderen Bands so nicht kennt. Es werden keine Aggro-Klischees gepflegt, oder gekünstelt der ganz harte Macker markiert, hier wird kein Krach und/ oder Geballer um des Krachgeballers Willens fabriziert - die energische Aura dieser Band ist einfach authentisch und dabei irgendwie auch eher positiv. Schon ziemlich Rawk'n'Roll, aber mit so einem ganz speziellen Vibe und mit ganz eigenem Verve.
Genau das machte schon aus ihrem 2013er Zweitwerk "Godhead" einen regelrechten Lebensretter und genau das funktioniert auch eine Dekade später beim vierten Longplayer wieder mal ausgezeichnet. 
"Enveletration" hat dabei dieses mal keine direkt rausstechenden Hitsongs, wie es das insgesamt nicht ganz so starke "Armada" 2018 mit dem dem Fast-schon-Emorefrain-Groover "Banger" hatte, aber über eine regelrecht elektrisierende Gesamtlaufzeit jede Menge erbaulicher Momente im Gib-Stoff-nach-vorne-Modus voller roher Energie. 
Von der ersten bis letzten Sekunde ist "Enveletration" einfach nur großartig, ein Gute-Laune-Album der rabiateren Natur. 
Und ich sag's dann mal ganz ungeniert: Ich liebe diese Band und habe in diesem Fall den schon leicht wehtuenden Importpreis für die Platte (in "White & Blue Handpour") tatsächlich bezahlt. Wenn ich mich dafür entscheiden müsste, nur 5 Platten aus diesem Jahr zu behalten, wäre "Enveletration" tatsächlich die erste Wahl.
Das Weihnachtsgeschenk der Alternative-Tentacles-7" "Aviary/ Baleen" sollte man außerdem natürlich nicht unerwähnt lassen.
Können wir jetzt noch 'ne Europatour bekommen? Einen Roadburn-Auftritt? Irgendwie sowas, um das ein mal in diesem Leben live genossen haben zu dürfen?

Mittwoch, 3. Januar 2024

Drum'n'Bass, Dub, Electronica 7"/ 10"/ 12" Single & EP Highlights 2023

Dub und so...
Irgendwie bin ich zuletzt doch noch nicht so richtig dazu bereit gewesen, mich im Clubmusik-Kontext mal mehr auf rein digitale Releases einzulassen. Trotz nahendem Platzmangel im Plattenregal, Ärgernissen über steigende Plattenpreise und Brexit-bedingte Besorgungsschwierigkeiten, und so weiter und so weiter, und obwohl es da (an rein digitalen Track-, EP- bis  Album-Veröffentlichungen) immer wieder mal erwähnenswerte gibt.

Mir kommen gerade etwa u.a. etwa
 Milbrook's Meganummer "Rituals", das witzige Bou-Ding "Fuck Junp Up", der '22er Delta Heavy Sommerhit "Ascend", der modern fräsende Crissy Criss Remix von Dom & Roland‘s "Punish Me Again", der Genre-Ideen ausweitende Kollaborations-Two-Tracker von MVRK & Current Value, dass es von IdeatorZ tatsächlich auch mal wieder was neues gab, John Rolodex' Label Machinist Music, die eine oder andere John B.-Spaßnummer, usw. usw. in den Sinn.
Ganz abgesehen davon, dass auch einige der großen, alten HeldInnen und traditionelle Label der Ecke, ohne sie jetzt alle aufzulisten, schon länger immer mehr reine Digital-Releases raustun und man z.B. auch in der Ecke des ganz modernen Neurofunk-Gebratzes etc. eh nicht mehr so viel 
zu Vinyl-Veröffentlichungen neigt.

Es nützt aber alles nix, irgendwie ist das Internet das Medium, über das ich in Musik reinhöre, um herauszufinden, welche ich „brauche“, und erst die Rotation auf dem heimischen Plattenspieler der Schritt, bei dem ich sie so wirklich „höre“, wertschätze“ und „feier'
Dass ich mir gelegentlich was von Bandcamp (oder JunoDownload) runterlade, das dann in der digitalen On-the-Road-Rotation oder in der kaum zum Zuge kommenden Laptop-Playlist landet, das kommt zwar durchaus vor, aber irgendwie mache ich da in meinem verwirrten Kopf auch bei Clubmusik-Tracks trotzdem diesen Unterschied zwischen Schallplatten bzw. physischen Veröffentlichungen und Files aus dem Internet. Und wenn ich was so richtig geil finde, dann tritt halt dieser haptische Besitzwunsch-Impuls ein.
An dieser Stelle könnten wir jetzt über psychologische Implikationen genauso diskutieren, wie über Luxusprodukte, die schwindende Bedeutung von Musik als Kulturgut in allgemeinen, Umwelt-Faktoren und wasweißichdennsonstnochso, aber es ist wie es ist: Je mehr mir Musik im Internet zu Tropfen auf heißen Steinen in einem unüberschaubaren und unüberwindbarem Dickicht verkommt, mit dem ich mich nicht mehr so richtig beschäftigen kann (zeitlich…) oder möchte, eben auch bzw. erst recht nicht „nur so zwischendurch“, und je mehr mir so einiges an digitalen Elektroniker-Releases wie vergessbare Eintagsfliegen vorkommt (sage ich ambivalenterweise als jemand, der durchaus gelegentlich selbst seine elektronischen Soloprojekt-Gehversuche auf Bandcamp wuppt…), desto mehr möchte ich ein Label-Logo wie Over/Shadow, 31, Metalheadz, Dread, Function, Amar, Bad Taste, Samurai, Droogs, Ohm Resistance usw. in meinem Wohnzimmer kreisen sehen, um wirklich Spaß an meinen Drum’n’Bass-DJ-Sets für mich alleine zu haben. Denn Ambitionen, mir in diesem Leben auch noch mal CDJs zuzulegen oder sowas, die habe ich wirklich so überhaupt gar keine. 
Und das, während selbst die letzten Vinyl-Verfechter unter den langjährigen Profi-DJs inzwischen eher mit ‘nem USB-Stick statt ‘nem Plattenkoffer zum Club-Gig kommen und nicht nur der Resident Advisor im April auch mehr oder weniger das Ende der Formats heraufbeschwören wolltesondern Künstler/ Produzenten/ DJs wie z.B. AMIT ebenfalls zunehmend die heutige Notwendigkeit von Vinyl-Releases öffentlich hinterfragen...
Es ist etwas schizophren, ja, vielleicht sogar ein bisschen bigott und/ oder bekloppt, vielleicht gebe ich selbst das Platten anhäufen ja jetzt 2024 tatsächlich auch auf einmal dran und steige doch noch auf die sich irgendwie falsch anfühlende Totaldigitalisierung um, aber es ist wie es ist. 

Eine Sache, die wir zum Thema bisher gar nicht mit angeschnitten haben wäre dann ja noch, wie der Vinyl-Tonträger als solcher auf der anderen Seite auch noch immer mehr zu einem kostspieligen Liebhaber-Luxusgut wird:

Dass etwa der hochgeschätzte, in diesem Kontext bereits erwähnte AMIT mir tatsächlich einen meiner zwei musikalischen Jahreswechsel-Wunschzetteleinträge für '23 erfüllte, nach 2-3 Jahren Corona-Kreativpause dann auch endlich mal wieder mit neuer Musik in Erscheinung zu treten, das fand ich ja grundsätzlich super, aber eine an sich schon nicht so günstig kommende Limited-Lathe-Cut-10" plus Artwork-Print dann auch noch mit UK-Versandkosten und obendrauf Zollabfertigungsgenerve bestellen? Ja puh, da muss man dann bei aller Liebe halt auch doch mal die Grenzen der Luxuskonsumausgaben ziehen. 
Auch US-Junglist RED ARMY haut auf seinem Label Armory limitierte 10"-Lathe-Cuts mit solchen Könnern wie Homemade Weapons oder Torana raus, und auch in der Reihe der Dispatch Blueprints ging man dann jetzt zu superlimitierten 10"-Lathe-Cuts über, die den Übersee-Sammler arm machen können.
Finde ich ja einerseits irgendwie auch geil, will andererseits aber nun mal echt nicht so viel Geld für 2-Track-Tonträger ausgeben, denn ich bin dann eben doch ganz klar eher Musikhörer als Raritätensammler. Und jetzt mal ehrlich: Wenn man so viel Kohle für 'ne Platte raus tut, würde man sie jetzt auch nicht gerade für 'nen Auflege-Abend mit in die DJ-Tasche einpacken...

An dieser Stelle haben wir dann jetzt natürlich noch zu erwähnen, dass sowas wie der Song des Jahres ohne Frage der komplett irre DnB-/ Dancehall-Gangsterrap-Hybrid "Baddadan" war, der auf der Insel des Vereinigten Königreichs, im Ausläufer der DnB-Festivalsaison und dann noch darüber hinaus zum allgegenwärtigen Spätsommerhit explodierte (zweieinhalb Millionen Youtube-Plays in nur einem Monat, Tyson Fury kam mit der Nummer zum Boxkampf einmarschiert und letztens noch blastete jemand, der neben mir zufällig auch gerade einparkte, das Teil laut im Auto...).


In den Jahresendspurt warf DJ Rap dann außerdem auch noch eine Gute-Laune-Knaller-Kooperation mit General Levy, bei der ich davon ausgehe, dass diese auch nochmal irgendwie eine 12"-Veröffentlichung bekommen wird:

Von der Saison '23 wären an (Nicht-Langspielalbum-)Tonträgerveröffentlichungen im Dschungel-Dickicht und drumherum ansonsten besonders hängengeblieben - 10 alphabetische Top-Plätze, darunter ein paar "Honorable Mentions" und noch eine erstaunte Betrachtung der besonders produktiven:

4AM CREW & SIR HISS
(Embrace The Real)
Die Londoner Jungle-Revialisten der 4AM CREW taten sich mit dem Grime-/ Dubstep-Kollegen SIR HISS zusammen, um eine Reinterpretation seines 2019er, Sample-lastigen Hits 
"Teheran Gunshots" im herrlich oldschooligen Abfahrt-Modus auf die Welt loszulassen.
Neben einer kurz und knackig gehaltenen Dreiminuten-Version enthält die 10" auf der anderen Seite auch noch eine etwas DJ-freundlichere, längere Fassung, die ich dann auch recht klar bevorzuge.
Ziemlich spaßiges Tune, das
 tendenziell relativ super zwischen Amit-Frühwerke wie "Myth", DJ Zinc's Trigger Finger und typische Rasta Vibez-Sampletunes mit in die Playlist passen könnte! 

ANTAGONIST - Rites EP
(
R&S Records)
Wo ANTAGONIST draufsteht, da steckt oft Drum'n'Bass-wurzelnde Musik drin, die mitunter in spaceige Sphären abtaucht, durch ein dunkel schimmerndes Wurmloch zur Paralleldimension irgendwo zwischen Chillout-Zone und Dancefloor. Und während mir das manchmal dann schon zu „ambientesque“ ist - schließlich mag ich meinen Jungle/ Drum'n'Bass bekanntlich gerne eher so ein bisschen gröber auf die vielzitierte Zwölf - ist eine vier (bzw. in digitaler Form fünf) Tracks umfassende EP wie diese, über das traditionsreiche, belgisch-britische Label R&S Records der genau richtige Rahmen, in dem ich mich dann mal drauf einlassen will. Eben eher Material, das man mal genießend durchhört, als sich einen Track davon für den Smasher-lastigen DJ-Mix auszugucken. (Wär' daher eigentlich auch cooler gewesen, gerade das hier in einem richtigen Artwork-Sleeve statt in generischer Dancelabel-Verpackung für DJs zu haben, aber haben kann man halt bekanntlich auch nicht alles.)
Jedenfalls hat "Rites" nicht nur, wie erwartet, regelrechte SciFi-Soundtrack-Vibes, sondern besticht zudem vor allem auch dadurch, zum Teil fast schon etwas gegen den Strich gebürstet zu völlig unerwarteten IDM-Seiten zu fallen.
Z.B. groovet der angeschrägte Halftime-Viber "Observe" mal eben sowas wie einen eher „rockigen“ Schlagzeugryhthmus raus, was ich in diesem Kontext so noch nie wirklich gehört habe und ziemlich cool finde.

BABY T - Shee Punk
(
Banshee)
Mal ganz abgesehen davon, dass sie in der Zwischenzeit auch mal eben Mutter wurde, gehört die ehemalige BBC-Radiopräsentatorin Brianna Price alias B.Traits alias BABY T nicht zu den Fließbandproduzent:ïnnen der Clubmusik-Szene. Getreu dem Motto „Qualität statt Quantität“ gab's unter ihrem reaktivierten, Jungle-orientierten Pseudonym 2020 eine sehr, sehr geile Debüt-EP auf Samurai Music und eine mit Verve ins Electro-Genre überkreuzende auf Central Processing Unit, 2022 dann immerhin einen seeehr coolen Remix einer Presha-Nummer und einen für's Münchener Techno-Brüderduo Glaskin, und erst Sommer '23 dann mal wieder 'ne neue EP, welche außerdem den Start ihres neuen eigenen Labels Banshee markierte.
Jenes steht unter dem Motto “hardcore junglist shit only”. Und wenn das von der Person ausgerufen wird, die mir zuerst damit positiv auffiel, auch mal eben Sunn o))) und ATR zwischen Es.tereo, Last Life und Homemade Weapons mit ins eklektische DJ-Mix zu mogeln, während mir dann auch noch der Ambient-lastige "Quarantine Chameleon Club"-Stream im Seuchenfrühjahr 2020 zufällig den dafür genau richtigen Sommertag versüßte (...), dann bin ich sowas von dabei. 
Mit den vier Tracks von "Shee Punk" lotet Brianna sowohl nostalgisch als zeitgenössisch die gemeinsamen Schnittmengen von Jungle/ Drum'n'Bass, Electro und Techno aus.
Der Opener ''Free Thinking She Punk' kombiniert Breakbeat-Geschepper im nicht ganz so zackigen Tempo mit maschinell plackerndem Bassgeboller zu was, das bei mir irgendwie fast schon EBM-Assoziationen weckt, 'Get to it' versprüht neben Electro-Geplucker auch Hip-Hop-Breakdance-Vibes, 'Ultrafunkiller' geht am ehesten als DnB-Tune durch und die Schlussnummer 'I'm The One' kommt dann auch noch mal eben als 140-BPM-Four-to-the-Floor-Banger daher, gewürzt mit um sich schlagenden Percussion und wahnsinnigen Vocal-Fetzen. Punchy Sounds setzen sich durch eine kristallklar atmende Produktion zur maximaler Wirkung durch.  
Alles also echt keine generisch genormte Standardkost und gerade deswegen auch ziemlich beachtens- und empfehlenswert!
 

DOM & CRYSTL - Dom & Crystl 
(
Over/Shadow)
Alter Vatter, hat Dom '23 mal wieder abgeliefert... Neben einem neuen Langspielalbum plus Auskopplung gab's von ihm u.a. auch noch im ca. gleichen Zeitraum mit "Drive Me Crazy / Fur Coats Knickers & Goldeine ziemlich geile 12" über sein eigenes Label obendrauf (und das funky-knallige Brett, zu dem 'Drive Me Crazy' im Verlauf wird, schreit dabei förmlich nach völliger Tanzflächeneskalation), um nicht viel später dann auch noch mit den Launch seines neusten Sublabels namens Individual um die Ecke zu kommen, über das er im Laufe des Spätsommers dann auch mal eben direkt gleich zwei 12"-Teile raushaute, die mitunter durch etwas kaputtere Sounds begeisterten (dunkel-dreckigen Techstep-DnB wie das rollende "More Controversy" kann ich wirklich stundenlang hören!).
Bei all dem nicht untergehen sollte seine Anfang des Jahres, ebenfalls über 
Over/Shadow veröffentlichte Kooperation mit Neunziger-Urgestein DJ CRYSL, welcher dieser Tage auch wieder in der Szene aktiv ist, nachdem er es in den Nuller- und Zehner-Jahren eher weniger war. 
Die beiden Tracks besagter 12" sind die genau richtige Mischung aus schwergewichtig krachenden Breakbeats und atmosphärischen Synths, die gewisse Old-School-Vibes nicht nur durch das glasklare Produktionsklangbild ins hier und jetzt transportiert, sondern eigentlich auch dadurch besticht, dass das Ganze mal wieder nicht zuuu vorhersehbar arrangiert ist. Genauso wie vorangegangene jüngere Veröffentlichungen von Dom auf Over/Shadow eben keine reine retrofuturistische Nostalgieveranstaltung mit DJ-Mix-Konventionalzuschnitt, sondern genauso Tanzmusik wie interessantes Kunsthandwerk. Noch dazu welches, das scheppert. 
Und ich muss es dann wohl doch mal so sagen, wie es is': Dom mag ein seltsamer Typ sein (Verschwörungstheorien- und Esokram-Anhänger, gelegentlicher Socialmedia-Miesepeter, ...), aber ich bin Fan! 

JOHN ROLODEX - Formless
(Metalheadz)
Ich glaube, ich habe das hier in der Vergangenheit, wahrscheinlich anlässlich der Redux-Version schon mal geschrieben, aber ich liebe ja den Titeltrack von JOHN ROLODEX' 2002er Debüt-EP "The Dragon" (Dread Recordings) und bilde mir ein, dass dieser sowas wie das perfekte Zwischen-Stück ist, um in einem möglichst explosiven 
Old-School-DJ-Mix von rougherem Jungle Marke Ray Keith zu derbstem Techstep-Geschepper à la Tech Itch überzugehen. 
Auf "Formless" hat er zwei Dekaden später einen typischen Metalheadz-Style drauf: Es klopft genauso ziemlich kühl durch sphärische Pads und deep brummende Synth-Bässe, wie's mit soulig-funky-jazzigen Akzenten durchsetzt ist.
Tatsächlich hat der Kanadier dafür sogar einen Kumpel ein paar Gitarren-Töne für einen Song einspielen lassen und bei der Schlussnummer der 4-Track-Platte einen menschlichen Drummer am Start, welcher das Ganze dann schon fast so ein bisschen in die Richtung Aphex'scher IDM-Weirdness schiebt.
Womit auch "Formless" für mich eher unter "Hör-" als unter "Club-Material" läuft, if you know what I mean. Aber v
ielleicht sind diese organischen Kontrastelemente ja das vielzitierte Salz in der Suppe, denn „typischer Metalheadz-Sound in Jazzstep-Nähe“ läuft bei mir sonst auch gerne schon mal unter „finde ich zwar ganz cool, aber so wirklich begeistert bin ich eher von anderen (gröberen) Sachen“, während diese EP dann ja doch seit Erscheinen tatsächlich so einige male wiederholt komplett rotierte. 


PETE CANNOM - The 8-Bit Special E.P.
(N4 Records)
Die Zusammenhänge zwischen britischen Clubmusik-Labels und EU-Vertriebswegen sind für mich ja wirklich komplett nebulös. Genauso wie es bei einigen weiteren UK-Marken nicht so ganz nachvollziehbar ist, 
so ist 's auch bei PETE CANNON's Label N4 Records ein undurchschaubares Glückspiel, welche Veröffentlichung auf einmal doch irgendwie für einen okayen Kaufpreis bei hiesigen Mailordern auftaucht, und welche gar nicht, während die Dinger über Bandcamp unfassbar schnell ausverkaufen.
Der sympathische Cannon ist hauptberuflich u.a. auch Sounddesigner für Werbespots großer Markenunternehmen und hat einen Namen als Hip-Hop-Produzent, holte aber irgendwann mal seinen alten Amiga Computer aus dem Keller, um wieder genau so Jungle-/ Rave-Musik zu fabrizieren, wie man es Anfang der 90er mal gemacht hat. Und dabei macht er so viel richtig, dass seine Musik sogar schon von Aphex Twin beim Festival-DJ-Set gespielt wurde.
Auf der selbsterklärend betitelten "Amiga Power 8bit Special E​.​P" - an die man hierzulande, im Gegensatz zu anderen Cannon-/ N4-Sachen ziemlich locker rankommen konnte (wie gesagt, muss man nicht raffen...) - gab's August '23 z.B. mal wieder roughen Retro-Jungle:
Vier Tracks auf 45 gequetscht, die ziemlich abgehen und mit ihrem gewollt altbackenen Charme wirklich schwerstens Laune machen.
Booyaja, booyaka!


PRESHA - Sacrifice 
(Samurai Music)
Eigentlich wollte ich die zweite reguläre Solo-EP von 
Samurai Music-Labelboss PRESHA zunächst ja unten unter den "Honorable Mentions" abhandeln, aber als ich dann mal so drüber nachachte, fand ich das im Spätsommer immer wieder rotierende Material von "Sacrifice" dann ja doch mit jedem Durchlauf immer bestechender, so dass man ruhig auch doch mal etwas ausführlich drauf eingehen kann:
Vor allem die kühl pochenden und fräsenden 'Raven' und ''Temple' haben so einen Vibe, der ein wenig an die Spätneunziger-Moving/Shadow-Innovationen von Dom & Roland oder Technical Itch u.ä erinnert, die SAM KDC-Kooperation 'Anaconda' rückt mit Halfstep-Groove in eine nicht Label-untypische Nische nebst atmosphärisch-experimenteller Schlagseite irgendwo zwischen Dark-Ambient- und Techno-Schulterblicken vor, und der abschließende Titeltrack rundet das Ganze noch mal etwas derber tackernd stimmig ab.
"Sacrifice" ist tatsächlich eine EP, die ich gerne in ihrer Gänze höre, deren Material sich aber auch im DJ-Mix z.B. super mit dem von bereits genannten Genre-Marken verträgt.
Und noch mehr als das kann man von so einem Release nun wirklich nicht wollen!


RAINFOREST - Bullet Riddim
(45Seven)
Es war sozusagen ein fast schon ambivalenter Tag, als ich das seit 2012 existente Alphacut-Sublabel 457 aus 
Leipzig für mich entdeckte. Weil einerseits: Geil, eine mit mindestens einem Bein in den Jungle/ Drum'n'Bass lehnende Vinyl-only-Plattform, die sich vor allem verschiedenen Ausprägungen von Dub-Tendenzen widmet, zwischen Traditionsbewusstsein (Formate) und durchaus zeitgenössisch-experimentierfreudigen Künstler*innen/ Produzent*innen, die bereits auf meinem Radar waren (z.B. Sam KDC & The Untouchables). Das ist ja jetzt gerade wirklich total mein Ding! Andererseits: Ich fang jetzt tatsächlich auch in dieser Ecke noch an, obendrauf immer mehr Riesenloch-7"-Singles anzusammeln? Phew, Alter. Aber es passt zusammen mit dem gelegentlichen ZamZam-Release halt auch noch irgendwie ganz gut zwischen Al Cisneros' Dub-Jams und die Siebenzoller-Serie von Ohm Resistance mit in meine Kleinformatkiste.
Der mexikanische Rodrigo Alvarez alias RAINFOREST hat auf dieser Single jedenfalls vor allem mit der B-Seite 'Runaway Riddim' einen totalen Killer an grob ausgefeilter Jungle-Musik mit starker Dub-/ Dancehall-Schlagseite zu bieten, in dem trotz der kurzen Spielzeit viel drinsteckt.
Die nicht ganz so wilde, titelgebende, noch dubbigere A-Seite ist aber auch ziemlich cool.


RAY KEITH - Chopper (Diligent Fingers VIP Remix) / Back To Me
(Dread Recordings)
Zum Thema RAY KEITH kann man im allgemeineren Jahresresümee-Post noch etwas mehr lesen. Deswegen sei an dieser Stelle einfach nur mal eben angerissen, dass die mitunter ziemlich auf DJ-Mixbarkeit der alten Schule zugeschnittenen Tunes dieses Jungle-/ Drum'n'Bass-Urgesteins (seine erste Single erschien '91!) in der Natur dieser Sache manchmal ein bisschen zu lang geraten bzw. auch schonmal eine variationsarme Wiederholung zu viel durchlaufen, um sie nur für sich als Song am Stück zu genießen. Kann man sich allerdings drauf einlassen, dann ist seine auf den Punkt gebrachte Melange aus der Grassroots-Roughness kräftiger scheppernder Breakbeats und fett bebender Bässe und positiven R&B-/ Dub-Elementen wirklich ziemlich zeitlos und macht einfach Laune.
Ob man jetzt wirklich den gefühlt fünfundsiebzigsten Remix vom 'Chopper', einem seiner beiden Signature-Klassiker schlechthin gebraucht hätte, das kann man mal offenlassen, nach dem trocken drückendem Bou-Banger, der '21 auf 12" veröffentlicht wurde, ist aber auch diese fräsende Version von DILIGENT FINGERS ganz cool und macht Spaß!
Ein regelrechtes Sommerhit-Highlight war/ ist allerdings 'Back To Me' auf der anderen Plattenseite. Das einleitende 'Smells like Teen Spirit'-Sample verkommt zu einer unnötigen Randnotiz, wenn das Teil mit Megatonnen-Bassweight heftig zum Sturm auf die Tanzfläche bläst und dabei auch noch Keith-typisch mit Soul-Vocalfragmenten durchsetzt ist.
Bockt total!


VROMM - Molecular
(Over/Shadow )
Last but not least bin ich ja etwas vorsichtiger geworden, irgendwelche „Trend-Tendenzen“ aufzeigen zu wollen, denn ich bin alt, out of touch, raffe wenig, hatte eh noch nie wirklich Ahnung usw. 
Aber gewisse, nun ja, Tendenzen oder Trends zeichneten sich in den Drum’n’Bass-Ecken, in denen man noch etwas deutlicher an den zugrundeliegenden Jungle-Wurzeln festhält anstatt zu modernem Jump-up- oder Neuro-Brumm’n’Bratz-Tanzflächenfüllmaterial zu neigen (wo zuletzt auch schon mal mehr 4/4-Beats durch Tunes klopften), in jüngerer Vergangenheit dann ja doch recht deutlich ab: 
Zu diesen Tendenzen gehören eine Besinnung auf atmosphärischere Jungle-Gangarten, für die einige Szeneprotagonisten dann sogar direkt neue Sublabes starteten (Spatial, Waveforms, Mindgames, Curvature…), dazu gehört an manchen Stellen auch ein gewisse Bereitschaft, etwas „IDM“-artig angereichert gegen den Strich gebürstete Musik zu machen (siehe auch Antagonist oder John Rolodex), es gibt so einige Beispiele für stärkere Dub-Schlagseiten, und auch für Electro-inspirierte Exkurse in auch schon mal etwas unüblichere BPM-Regionen (siehe auch Baby T oder Quartz oder die eine oder andere Veröffentlichung auf Sneaker Social Club, ...). Und das alles läuft dann auch noch in dem Umstand zusammen, dass der Drum’n’Bass, den jemand wie ich zu Hause „auf Platte“ hört, nicht unbedingt der Drum’n’Bass ist, zu dem „die jungen Leute“ irgendwo im DJ-Mix tanzen.
VROMM’S diesjährige EP "Molecular" auf Over/Shadow hat im Verlauf von vier Tracks auf 45 von all dem etwas. Und ich Idiot bereue an dieser Stelle auch wirklich ein bisschen, mir seine, inzwischen nicht mehr so günstig erschwingliche 2021er Over/Shadow-EP "Bees" nicht auch schon geschossen zu haben. Denn "Molecular" ist... something else....
Vage Dub-Techno-Tendenzen? Sog. „Bass-Music“-Ausrichtungen, weil es nicht mehr so wirklich DnB ist, man es aber auch nicht als Dubstep bezeichnen möchte?  Ein bisschen Elektro-Flavour? Ein Hauch IDM-Abstraktheit, mit dem die Schlussnummer pumpt? Irgendwie steckt das alles da mit drin und klingt irgendwie anders und einfach nur geil.



Honorable Mentions und Nachrückplätze:
  • Da ich mir irgendwelche diffus-komplettistischen Sammler-Nerdigkeiten um des Sammlungskomplettismus Willens schon lange abgewöhnt habe, habe ich es mir ja geklemmt, den "Uranus"-Teil von Ruputure London's an sich jetzt schon ziemlich legendärer "The Planets"-Reihe auch noch physisch besitzen zu wollen, denn die drei Tunes darauf hauten mich jetzt nicht so wirklich um.
    Anders lag der Fall allerdings 
    bei "Neptune":
    Der Titeltrack von FOREST DRIVE WEST ist ein geiler Dunkel-Klopfer, der untenrum durchaus etwas fetter tönt, während COCO BRYCE's "Mendoza" eine nicht zu heftig inszenierte, aber doch auch etwas wilder zusammengeschnippelte Amenbreak-Schepperei plus deepen Basssound durch eine atmosphärisch wabernde Klanglandschaft inkl. Vocal-Fetzen zieht. 
    Find' ich beides ziemlich gut!

  • Samurai Music schon wieder: Auch die Labeltypisch-halfsteppige "Tensor" EP von LAST LIFE landete nicht nur auf dem Einkaufszettel und somit im Regal, sondern lief im Laufe des Jahres durchaus öfter mal auf dem Plattenspieler durch. 
    Die etwas gegen den Strich gesetzte Bassline von 'Offside' kommt dabei sogar ungewöhnlicher.
    Gewohnt guter Qualitätsstoff! Ich hab' für dieses Label und die Styles, die es vertritt, aber halt auch einfach schwerstens was übrig...

  • Von QUARTZ' "Black Decay / Abstract / Pale Tongue" EP via Hotline Recordings gefiel mir vor allem das treibende "Abstract" mit so einem „Diddeldüddel-Electro-Vibe, gepaart mit Reese-Bass und metallenen Snares am meisten. Total geil! Als DnB-DJ dürfte man an dieser Stelle allerdings wohl das Problem haben, dass die Nummer auch BPM-mäßig etwas aus dem Rahmen fällt...
    "Black Decay" wiederum bietet eine geil düster drückende Angelegenheit mit komplexem Arrangement und spannenden Hintergrund-Sounds, während "Pale Tongue" in dezent weirde Halfstep-Regionen abgroovet, und der Screenprint-Sleeve der limitierten Platte ist eigentlich auch ganz cool!

  • Die mit coolem Coverartwork kommende, blaue 180g-12"-Single "Voyager / Strange Thoughts" von SECTION 63 ist ein Release, den ich schon „in der Sache“ supporten wollte, denn es handelt sich hierbei um die erste physische Veröffentlichung des Hamburger Labels Insomnius Music. Drauf gestoßen wurde ich u.a. durch Submerged’s DJ-Support (siehe "Ohm Resistance Mixtape 05" im Post von gestern).
    SECTION 63 alias David Edwards alias "Blade (/The Sect)" rollt dabei zwei Tunes im SciFi-Drum’n’Bass-Stil mit Schulterblicken in No-U-Turn-, Valve-, Mitt-/ Spätneunziger-Moving Shadow-Zeiten raus, die herrlich drücken und schieben. 

  • Andrew Bowen alias SLAVE TO SOCIETY ist ein durch verschiedene Genre-Gangarten experimentierender Hart-Elektroniker.
    Dass seine '23er "Thrown To The Wolves" EP dabei vor allem Drum'n'Bass-Ansätze aufnimmt, mit einem Smasher von Titeltrack anfängt und mit einer etwas Breakcore-Weirdness versprühenden Nummer abschließt, ohne die Härtegrad-Schraube völlig zu überdrehen, das sollte uns einen Shout-out mit Thumbs-up wert sein!

  • Weil ich manchmal ein bisschen bekloppt bin war's quasi ein Geburtstags- (Preorder-Zeitraum) und Weihnachtsgeschenk (tatsächliches Lieferdatum) an mich selbst, mir dann doch mal was direkt „von der Insel“ aus dem Hause Tech Itch Recordings zu bestellen. Bekloppt, weil: So 'ne sog. Dubplate, bzw. 180g-12" in 100er-Auflage kommt schon nicht ganz sooo billig wie 'ne reguläre Platte, und dann noch Versandkosten und Zoll... Nun ja. Weiter oben habe ich mich zu dem Thema ja schon ausgelassen, aber manchmal kann ich dann eben doch nicht widerstehen...
    Kommen wir aber zum Punkt:
    TECHNICAL ITCH's gleichzeitig veröffentlichten "Plate 06" und "Plate 07" sind vor allem auch wegen einem gewissen Kontrast interessant: Gerade die beiden, ziemlich geilen Nummern von "Plate 07" haben nämlich einen Vibe, der mich eigentlich schon eher ziemlich an Dom erinnert.
    "Plate 06" wiederum war dann aber doch die etwas auffälligere und härtere: 'Touch The Darkness' tackert sich völlig abgehackt-hektisch durch's Dystopia und 'Objecte Temporal' ist ein ziemlich cool im Schnellschritt durch die Dunkelheit marschierender Klopfer.


    Der Vollständigkeit halber auch noch, weil: Irre, einfach nur irre...

  • Zu Weihnachten gab's dann mit "House of Leaves" auch noch mal eben die nächste ASC-EP via Samurai Music

  • Apropos: ASC hat u.a. auf seinem Atmo-DnB-Sublabel Spatial ohne Ende rausgehauen. Spätsommer '23 zeigte der Schlagzähler der '22 gegründeten Marke bereits auf 19 EPs, während 11-12 davon von ASC selbst, meistens alleine, manchmal aber auch zusammen mit seinem Kumpel Simon Huxtable alias AURAL IMBALANCE kamen. Und zum Jahresabschluss kam dann sogar u.a. auch noch 'ne Spatial-EP vom ebenfalls allgegenwärtigen EUSEBEIA obendrauf.

  • Zum Jahreswechsel wiederum dann mit Curvature sogar noch ein weiteres Label, auf dem ASC und AURAL IMBALANCE veröffentlichen.
    Ich komm' nicht mehr mit?!

  • Zwischen all dem wurde auch noch mal eben mit Waveforms ein weiteres Label  von ASC und Samurai Music's PRESHA gegründet, dessen Motto Frühneunziger-Jungle ist. Die ersten beiden 10" Releases kamen dann auch direkt wieder von ASC und gingen ebenfalls in die Richtung, klassische Breakbeats in einem Atmo-betonten Kontext kloppen zu lassen.
    Noch mehr ASC. Irre, einfach nur irre. 

  • Und als wäre das alles noch nicht genug gewesen, gab es dann zum Herbst verwirrenderweise mit Mindgames noch ein neues Samurai Music-verbandeltes Label, welches sich ebenfalls einem atmosphärischeren Jungle-Revival-orientierterem Sound widmen möchte.
    Als erstes durften die, jeweils auch schon nicht gerade wenig veröffentlichenden EUSEBEIA und TIM REAPER mit Releases ran. 
    (Vom Label des letztgenannten, Future Retro London, fangen wir an dieser Stelle lieber gar nicht erst an.)

  • ...'ne weitere EUSEBEIA-EP gab's dann auch mal wieder via Rupture LDN, während die nächste über Samurai Music auch schon wieder für '24 angekündigt ist...
    Irre, einfach nur irre...