Harvestman - Triptych: Part Three
(Neurot Recordings)
Na klar, das Finale von Steve Von Till's diesjähriger Trilogie an Drone-Exprimenten, Krautrock-Inspirationen und Dub-Exkursen kam, wie die Teile eins und zwei auch schon, selbstverständlich ins Plattenregal bzw. auf den Spieler.
Wie bei den anderen beiden ist auch hier ein dubbig angehauchtes Stück mit Al Cisneros am Bass die Eröffnungsnummer, die noch dubbiger rauschende Remixfassung auf der B-Seite hat man dieses mal The Bug überlassen, und interessant ist dann auch noch, dass der dritte Teil des Triptych-Materials der am meisten zu Tangerine Dream schielende ist, denn auf dieser Platte ertönen an 2-3 Stellen auch noch mal offensichtlicher Synthies.
Womit zum guten Schluss noch mehr von dem zusammenkommt, was zufällig ganz gut einen dunkelbunten Schmelztiegel meiner musikalischen Vorlieben und Interessen sowohl seit längerer Zeit als auch besonders dieser Tage, sowohl als Hörer als auch aus kreativer Perspektive widerspiegelt. Manche Künstler sind eben doch Konstanten im eigenen Leben, und es ist besonders cool, dass dieser Typ der nicht mehr aktiven Neurosis eine ist.
Bevor ich zu sehr in allgemeines Blafasel abdrifte: Runde 3 der Trilogie weckt auf mich tatsächlich so ein bisschen den Eindruck, die rundeste und von allem ein bisschen mehr zu sein. Die diversen Gäste an Live-Drums und weiteren Instrumenten scheinen das Ganze gelungen mit auszuweiten.
"Clouds Are Relatives" und "Snow Spirits" sind die musikalisch reifsten Stücke der Serie, voller Atmosphäre, Bewegung, auch mit gewisser Wärme und selbst die etwas statischeren Momente wie "Eye the Unconquered Flame" mit seinen Spoken-Word-Fragmenten, die Drone-Schönheit "The Absolute Nature of Light" und das spaceige Ambient-Stück "Herne's Oak" sind interessante Klangreisen, in denen irgendwie noch etwas mehr Soundwucht steckt als auf den vorangegangenen beiden Platten dieser Serie, die ich ohne Frage auch schon sehr gut fand.
"Psilosynth" von der ersten ist glaube ich nach wie vor (in beiden Versionen) mein Songfavorit der Trilogie, aber in ganzen Albumteilen betrachtet gefällt mir wahrscheinlich sogar dieses Finale am besten!
JK Flesh - Echo Chamber Music 01
(Avalanche Recordings)
„In the spirit of the intention of 'dubs', comes a new series, Echo Chamber Music, consisting of open ended manipulations of minimal JK FLESH 4/4 'techno' tracks, loosely traversing the 'industrial dub techno' concept (some vague meeting point between early industrial music e.g Throbbing Gristle, etc, and dub techno pioneers Basic Channel); gritty dub techno tracks reduced and inverted, indulging in the endless possibilities of the application of the processes of dub through dirt...
The series was intended to begin in 2021 with this first volume, but due to clashes with other project releases around the period, the series was put on hold until now - Nov 2024....”
Dass ich rein digitale Releases unter die Tonträger-Reviews mogle, das ist ja eher die Seltenheit, aber hier war mir danach, denn es passt mir aktuell einfach gut mit den Kram:
Bei Justin Broadrick’s Soloprojekt JK Flesh war ich ja tatsächlich von Anfang an dabei. Auf dem 2012er Debütalbum "Post Human" klang das dann noch eher wie ein etwas unentschlossenes Abziehbild seiner Band Godflesh, in der Folgezeit fand er sich damit dann aber immer mehr in Techno-Experimenten, die sich sowohl vornehmlich an Industrial-Soundästhetiken orientieren, als auch Dub-Ideen aufgreifen, und hat damit inzwischen sogar schon das Berghain beschallt, was auch immer genau das jetzt auch bedeuten mag.
Auch wenn 4/4-Techno eine Art von Musik ist, die bei mir eher nur am Rande stattfindet (denn my heart beats like a Jungle-Drum…), höre ich mir davon ja fast jeden Release und jeden Mix an und schiebe tatsächlich auch die eine oder andere EP/LP davon ins eigene Plattenregal.
Und das trifft dann auch auf die hiermit startende "Echo Chamber Music" Reihe zu!
John Rolodex - Seeing Around Corners
Marvel Cinema & 88 Katanas - Titanium Blade
(Over/Shadow)
John Rolodex' 2002er Debüt-EP auf Ray Keith' Dread Recordings war seinerzeit ein ganz geiles Statement in Sachen Drum'n'Bass der Jungle-wurzeltreuen und doch auch eher etwas düster-derber smashenden Variante, seine letztjährige "Formless" EP auf Metalheadz zeigte dezente Tendenzen in Richtung jazzy IDM inkl. menschlichem Gastdrummer-Einsatz. Die superlimitierte Handarbeits-Platte mit dem ganz coolen Tune "Heavy Metal" besitze ich ja leider nicht, aber ein Release über das Qualitätslabel Over/Shadow ist dann ebenfalls etwas, das fast schon unter „Pflichtprogramm“ läuft.
Über alle vier Tracks dieser wieder mal ziemlich geilen EP demonstriert Rolodex eine gewisse „Luftigkeit“, Breaks und Bässe kommen aber dennoch (oder vielleicht auch gerade deswegen) mit knackigem Punch.
Find's wieder mal gut, musste es mir wieder mal kaufen.
Die deutsch-amerikanische, genauer gesagt Köln-New Yorker Freundschaft Marvel Cinema & 88 Katanas hat mit der "Titanium Blade EP" dann übrigens ebenfalls aktuell eine ganz coole 12" via Over/Shadow draußen, vor allem der Titeltrack ist ziemlich nach meinem Gusto, weswegen ich das mal nicht durch's Raster fallen lassen wollte.
Opalglas - Whale
(Südturm)
Kassetten kaufe ich ja wirklich eher selten gerne, aber die Ausnahmen scheinen derzeit mal wieder zuzunehmen...
Man kennt Christian Kolf natürlich von seinen Metal-Bands Valborg, OWL und weiteren Nebenprojekten von Ambient über Indierock bis Death-Doom, obendrauf kommt dann auch noch die gelegentliche Soloprojekt-Veröffentlichung unter Opalglas-Banner mit Musik zwischen Ambient-Drone, Dub-Techno, Industrial...
Dieses Tape in Kleinauflage über das Kölner Label Südturm beinhaltet zehn oft eher kurz gehaltene Tracks (der kürzeste ist das eineinhalbminütige "Empire", am längsten ist die fünfminütiige Schlussnummer), die sich von technoideren Gangarten im engeren Sinne entfernen und in einem Spannungsfeld von synthetischen Ambient-/ Drone-Experimenten und sowas wie Industrial-Stampfdrums- und//oder Gesangsnummern stattfinden, die mitunter auch ein bisschen an Author & Punisher erinnern (z.B. beim Titeltrack).
Und für die noch mal etwas anderen Klangfarbtupfer in der Musikrotation find' ich's tatsächlich ganz geil!
Oranssi Pazuzu - Muuntautuja
(Nuclear Blast)
Auch wenn es Phasen gab, während denen ich mich derartigem durchaus recht zugetan fühlte, höre ich heute ja wirklich kaum noch karikaturenhafte Düsterklischees reitende Bläckmeddl-Musik mit Krächz-Vocals, obendrauf ist Nuclear Blast ein in seiner Gänze schon länger eher unsympathisches Label. Sorry, Jungs und Mädels in Donzdorf, Dortmund oder Paris, aber es ist halt einfach so.
Von Oranssi Pazuzu habe ich allerdings tatsächlich fast alles im Plattenregal und habe mir auch ihr neues Album wieder zugelegt. Denn wenn es dann doch mal eine Metal-Band gibt, die sich wirklich traut ihre musikalischen Wurzeln mit in andere Territorien auszustrecken, in denen man aus ihrer Ecke heraus tatsächlich auch noch so ein bisschen Neuland betritt, die ganzen Traditionalisten und willenlosen Genre-Spießer mit 'nem über die Schulter gezeigten Mittelfinger hinter sich lässt und dabei dann auch gar nicht mal so doof wirkt, dann gilt es das als die Ausnahme zur stereotypischen Langweiler-Szeneregel zu würdigen.
Schon ihr Debüt demonstrierte vor 15 Jahren Spacerock- und sogar dezente Dub-Einflüsse, auf "Kosmonument" und "Valonielu" gab es richtige Wow!-Momente zwischen Psychedelica, Noise, Chaos und Groove, vor allem auf dem 2016er "Värähtelijä" hatte man dann eine begeisternde Balance aus Krautrock-Einflüssen und Noiserock-Tendenzen im Rahmen düster-extremer Metal-Gangarten zu bieten (und live war's dann beim Roadburn Festival in dem Jahr auch tatsächlich einfach nur geil), und mit dem sechsten Regulär-Longplayer "Muuntautuja" liegt nun die nächste Stufe musikalischen Wahnsinns gewordener Finnen-Düster-Weirdness vor. Und nachdem ich den vier Jahre alten Vorgänger "Mestarin kynsi" - weil einfach Bock auf gänzlich andere Vibes gehabt - zugeben weniger und seltener gehört habe, bin ich ja doch relativ begeistert, dass "Muuntautuja" noch einmal mehr wirklich alles andere als "your average Metal Album" ist.
Ja, auch hier gibt's schon mal Blastbeatgerumpel und Motorsägen-Riffing mit Gekeif oben drüber, auch hier gibt's den abdunkelnden Pathos, der für eine skandinavische Düster-/ Extrem-Metal-Band relativ normal ist, aber hier gibt's etwa auch weite Passagen mit brodelnd in den Vordergrund rückenden Synthesizern, das Drumming stolpert immer wieder mal mit gewissem Jazz-Swing nach vorne, die Band baut gemächlich kriechende Passagen mit, trotz aller Dunklheit eher Metal-untypischem Feel und Sounds auf und eskaliert dann auch noch immer wieder mal in völlig krachigem Chaos. Als Schlussnummer wabert man sich dann obendrauf noch instrumental durch eine geil Ambient-eskes Stück.
Ich habe in diesem Jahr bisher wirklich nur sehr wenige Metal™-Platten gekauft. Eigentlich sind's inzwischen sogar nur noch die völlig abseitigen Sachen, wie etwa die aktuelle Corrupted-CD, die The Body & Dis Fig Kollaboration oder eben dieses Album hier. Dafür schätze ich an sowas wie "Muuntautuja" dann aber umso mehr, dass Typen, die da mit langen Haaren und Lederjacken auf der Bühne stehen, sich auf Arten und Weisen künstlerisch ausdrücken, die absolut nicht der heutzutage nur noch uninspiriert-spießigen Szene-Norm entsprechen, sondern was anderes machen müssen. Wenn einer das versteht, dann ich.
Fazitärer Schlusssatz? Okay: Wirklich geiles Album, das derzeit dann tatsächlich doch überraschend oft mal läuft!
Pharmakon - Maggot Mass
(Sacred Bones)
Keine Ahnung, ob's wirklich was mit der nahenden, dunkelkalten Jahreszeit und allgemeiner Ohnmacht über den Zustand er Welt da draußen zu tun hat/te, aber nachdem ich über den Sommer glaubte, von Musik, in der sich Düsternis, Verzweiflung und Abgründigkeit widerspiegeln total geheilt zu sein, landeten auf dem Herbsteinkaufszettel dann auf einmal dennoch z.B. die neue Oranssi Pazuzu (s.o.) oder eben auch das aktuelle Album von der New Yorker Power-Electronics-/ Noise-Performance-Künstlerin Margaret Chardiet alias Pharmakon.
Zufall, dass ich ausgerechnet in der gleichen Woche dann auch noch dem Organisator hiesiger Industrial-/ Harsh-Noise-Events mit gewissem Trademark über den Weg gelaufen bin? Irgendwie möchte ich manchmal nicht mehr an welche glauben...
Jedenfalls muss ich tatsächlich gestehen, heutzutage nur noch selten in der Stimmung für Fabrikhallenmusik mit Hexengeschrei zu sein, aber diese fünf, teilweise dann ja doch bisher „musikalischsten“ Pharmakon-Tracks von superkurz (02:37) bis episch lang (10 Minuten) haben was!
Die Struktur aus Rhythmus und heftigen Lowend-Brummen von 1-2 Nummern würde mich gar schon das Wort Doom als grob einordendes Behelfsattribut mit auspacken lassen, und wenn's am industriellsten rumpelt, dann erinnert's auch schon mal erst recht so ein bisschen an die besten Sutcliffe Jügend Momente (sowas wie "Bait" halt).
Joa, ich find' auch das hier ziemlich geil! Ich will's zwar jetzt auch nicht jeden Tag hören, aber auch für sowas ist in meiner Welt tatsächlich immer noch Platz.
Universal Project - Universal Language
(Universal Project Recordings)
Drum'n'Bass³ und noch ein Sommernachzügler, der mir etwas verspätet in die Aufmerksamkeit gespült wurde, aber dann auch einfach Sinn für mich machte:
Ursprünglich eine Früh- bis Mittnuller-Gruppe, meldete sich vor ein paar Jahren, quasi zufällig ziemlich pünktlich zum vermeintlichen Jungle-/ DnB-Revival jüngster Vergangenheit auch Aaron McDuffus nach ca. einer Dekade Pause mit dem Künstler- und Labelnamen Universal Project zurück.
Die 4-Track-Vinylauskopplung zum 15-Track-Digitalalbum "Universal Language" enthält nun zwei Ära-typische Altnummern im Remix, um genau zu sein das damalige Debüt "Bleach" in einer typisch-neuzeitlich etwas knackigeren Version von Jubei und "Glock" in einer relativ aufgeräumten Fassung von Zero T, sowie mit dem partiell recht derbe fräsendem "Funk'd Up" und der besonders techsteppig/ frühneurofunkig klatschenden Xtrah-Kollaboration "Zero DB" zwei ganz neue Tunes.
Eigentlich zeichnet sich ja derzeit ab, dass ich den Filter, welche DnB-Neuerscheinungen ich mir unbedingt auch in den DJ-Plattenkoffer holen muss, dann jetzt wohl auch mal wieder etwas enger einstellen werde, damit das nicht alles noch völlig Überhand nimmt, aber zwischen den Klassikern von Bad Company, Ed Rush & Optical, Nico usw. und auch aktuelleren Smashern von etwa Dom, Tech Itch oder Trace ist das hier eine wirklich gute Playlist-Addition!
Noch was?
Jeweilige "Honorable Mentions"-, "auf dem Schirm, aber noch nicht gehört"- oder "Restjahresradar"-Auflistungen sparen wir uns an dieser Stelle bei einer solchen Fülle dann jetzt doch mal, auch wenn es durchaus noch weiteres erwähnenswertes (etwa das handbeschriebene LP+CD-Package von Caspar Brötzmann Bass Totem via Exile on Mainstream) oder bereits im virtuellen Einkaufswagen liegendes oder irgendwie noch antizipiertes interessantes gäbe...