Sonntag, 31. März 2024

...Musik im März...

Okay, schießen wir es tatsächlich noch heute zur Eiersuche in die Welt hinaus, bevor es morgen jemand für sowas wie einen Aprilscherz halten möchte...
Eines war schon im dunklen, kalten Januar dann ja doch 
irgendwie schön: Nämlich Ankündigungen von Musikneuerscheinungen, die tatsächlich Vorfreude auf meiner Seite verursachten. Auf dem Veröffentlichungsradar blinkte für Anfang März zunächst nämlich schon die neue Pissed Jeans ziemlich hell auf als etwas, auf das ich so richtig Bock hatte, als diese dann allerdings auf einmal noch von Ankündigen und Vorab-Videosingles etwaiger Album-des-Jahres-Kandidaten wie von Kim Gordon oder Squarepusher fast schon wieder so ein bisschen ins Hintertreffen geschoben wurde.
Drei solcher Kaliber reichen mir dann für einen Monat ja eigentlich auch schon. Zumal im Februar auch schon ein paar coole Sachen kamen und das Neuerscheinungen-Radar für April inzwischen ziemlich irre blinkt...

Aktuelle Alben

Kim Gordon - The Collective
(Matador)
Ja, Kim's Solodebütalbum "No Home Record" fand ich 2019 auch schon ziemlich gut.
Dann kam neulich die Vorabvideosingle "Bye Bye" zum Nachfolger und ich war echt sowas von hin und weg. Klar, der Vergleich hinkt, aber diese Mischung aus schraddelig-kaputtem Indierock und elektronisch bollernder Rhythmusgrundlage hat so'n bisschen was von 
NIN zu ihren besten Momenten in längst vergangenen Zeiten...
Vor lauter vorfreudiger Antizipation habe ich dann sogar doch endlich auch mal eines der Alben ihres Noise-/ Gitarrendrone-/ Avantweirdness-Projekts Body/Head besorgt, was bisher hauptsächlich aufgrund von „so viel Musik, so wenig Zeit…“ durch's Raster gefallen war, aber das nur nebenbei. 
Dann die zweite Vorabvideosingle "I'm a Man" - noch mehr rauschmirgelnder Noiserock auf elektronischem Hop-Hop-Beat. 

Voll. Geil! Total! Mein. Ding. 
Und tatsächlich ist dieses mal das gesamte Album über alle elf Tracks so: Programmierte Boller-Beats und Gitarrenkrach.
Darüber raunt, flüstert und sprechsingt Gordon ihre Irritationen über das Heute.
Besonders geil: Die epische Industrial-Rock-Abfahrt "The Believers" - was für ein Noise-Inferno!?!
Generell geil finde ich aber tatsächlich durchgängig alle elf Songs.
Da musste nun also erst die inzwischen 70 Jahre alte Gordon kommen, um das eine Album an Nicht-so-ganz-aber-eigentlich-auch-doch-Rockmusik auf uns loszulassen, das ich schon immer gehört haben wollte? Keine Ahnung, was genau das jetzt eigentlich aussagt, über mich selbst, über „diese Zeiten“, über die Künstlerin, aber ich nehme "The Collective" tatsächlich jederzeit noch vorm gesamten Sonic Youth-Output ca. '86 bis 2011.
Etwas ärgerlich allerdings: Der nicht billig kommenden Platte liegt kein Download-Code bei (war das nicht bei Matador sonst so gewesen?). Hätte ich das mal vorher gewusst, hätte ich sie beim Evil Empire mit der AutoRip-Option bestellt, was ich ja eigentlich zu vermeiden versuche, aber...
Egal. "The Collective" ist definitiv einer meiner absoluten Jahrgangslieblinge, da kann ich mich jetzt schon festlegen.



Pissed Jeans - Half Divorced 
(Sub Pop)
Um mal ganz ehrlich zu sein habe ich mit dem ungehört vorbestellten "Half Divorced" ein paar Anläufe zum warm werden gebraucht. Pissed Jeans sind zwar zugegeben eine Band, die man eh vor allem auch wegen dem Gesamtkonzept liebt, zu dem eine ziemlich selbstironische, generell intelligent-humorvolle, doppelbödig kathartische 
und auch etwas konfrontative, bei all dem allerdings vor allem auch einfach nur authentische Attitüde gehört, die fast schon ein bisschen wichtiger ist als die Musik an sich, letztere ist allerdings hier, passend zu den lyrischen Themen des Materials, dann auch tatsächlich in sowas wie ihrem Midlife-Crisis-Album ausgeartet. 
Man gibt mehr Gas denn je, lässt den Punk raushängen, von Schweinerock bis Hardcore-Geklöppel, viele Songs unterhalb der Zwei-Minuten-Marke, zwischendurch nimmt man auch schon mal das uncoole Ding Poppunk und macht es sich zu eigen.
Skurrilerweise fühle ich selbst 
mich bei aller psychologischen Nähe zum Gesamten zu alt für derartige Ruhrpott-Rodeo-Musik und mag Pissed Jeans natürlich in den Momenten am liebsten, in denen ihre verschrobene Noiserocker-Schlagseite am meisten durchblitzt:
"Junktime", das längste Stück der Platte, ist mit seinem Aufbau dann ja doch am meisten meins und der stampfende Midtempo-Brecher "Helicopter Parent" wär' mein zweiter Favorit der zwölf Nummern.
Unter den UfftaUffta-Songs gibt's zwar durchaus auch ein paar ganz geile Momente, der schiefe Abrocker "Everywhere is Bad" ist ziemlich witzig und die besonders melodische Schlussnummer "Moving On" hat zugegeben auch was - ich muss allerdings gestehen, dass die Art von Musik, auf die ich 2024 Bock habe, dann eigentlich ja doch ein bisschen woanders zu finden ist als in Regionen, wo man schon mal gefährlich nah an sowas wie NoFx vorbei schrappt.
Für den Einzug in die etwaige Jahres-Top-10 wird's hiermit also knapp, ziemlich sympathisch und dennoch ansprechend finde ich die Band dabei allerdings immer noch.



Squarepusher - Dostrotime
(Warp)
Das 2020er 
Squarepusher Album "Be up a Hello" machte mich dann ja doch nochmal so richtig zum Fan. Wohl auch so ein Fall vom richtigen Ding zum richtigen Zeitpunkt für mich persönlich, während Tom Jenkinson gerade etwas an der kreativen Konzeptschraube gedreht hatte, seiner Musik nach einer Software-zentrischen Phase wieder etwas mehr analoge Substanz durch Hardware-Snyths zu verpassen. Es kam dabei wohl irgendwie einfach alles richtig zusammen, als ich gerade auf der Suche danach war, auch mal wieder mehr von was anderem an meine Ohren zu lassen als immer wieder nur das immergleiche Gitarren-Rumgeriffe, und die Tür somit, bei meiner eh schon vorhandenen Liebe zu britischen Breakbeat-Bearbeitungen und einem gesteigerten Interesse an Synthesizer-Sounddesign, weit offen für abgepfiffene Elektronik stand. "Be up a Hello" wird in seinem Verlauf, gerade auch in der zweiten Hälfte ('Vortrack'/ 'Terminal Slam' / 'Mekrev Bass') immer mehr zu einer vollbekloppten Achterbahn-Abfahrt, die mich völlig fasziniert, irritiert und euphorisiert. Definitiv eines meiner Lieblingsalben der letzten Jahre!
Den Nachfolger "Dostrotime" habe ich mir dann auch direkt vorbestellt, nachdem ich die erste Vorabsingle nur mal kurz angezappt hatte.
Das Ganze entstand wohl über die letzten 5-6 Jahre mit einer Kombination aus klassischem Gear wie z.B. dem Roland SH-101 und selbstprogrammierten Synthsound-Emulationen, Jenkinson's Jazz-Vorlieben spiegeln sich in handgespielten Akustikinstrumenten wieder, und in einigen Nummern hielt Einfluss aus der No-U-Turn-Drum'n'Bass-Schiene Einzug. 
Was sofort auffällt: Die gesamte 2LP ist ziemlich gut durchdacht. Seite A beginnt mit einem Akustikgitarren-Intro, die Seiten B und und D enden mit sehr ähnlich gearteten Outros.
Das ein bisschen nach Retrogame-Soundtrack klingende "Enbounce" ist wie eine weite Spannungskurve, die sich nie so ganz im großen Höhepunkt entlädt, "Wendorlan" der erste Chaos-Track, der von flottem Acid-Techno aus in komplexen Breakcore abdriftet. 
Signature-Squarepuasher mit Breakbeat-Getschacker und Hardware-Synths-Setup gibt's dann u.a. bei "Duneray".
Im weiteren Verlauf des Albums kommen dann sowohl etwas gemäßigter gen Ambient/ Trip-Hop lehnende Kompositionen und Soundexperimente zum Vorschein, wie man 
natürlich auch noch in weitere wilde Karrusselfahrten mit irrwitzigem Breakbeat-Slicing und Squelch-Sounds hineingezogen wird, die sich bis in völligen Wahnsinn steigern.
So ein bisschen ist Squarepusher ja sowas wie der Typ mit der Silbermedaille, weil alle Welt seinen Kumpel, Label-Kollegen und sogar ehemaligen Mitbewohner Richard D. James alias Aphex Twin zur Gottfigur britischer IDM-Weirdness mystifiziert hat (und zur eigenwilligen Legendenbildung selbst beigetragen hat jener dabei sicherlich auch). Nun, ich habe von Afx auch ein paar Neunzigerklassiker und Neuzeitkapitel im Plattenregal und finde die natürlich auch gut, aber das Squarepusher-Spätwerk reißt mich dann ja ehrlich gesagt doch ungleich mehr mit und rotiert wesentlich öfter!
Im Übrigen auch löblich: Zum mehrfach verwendbaren Download-Code gehört die "Wendorlan" EP dann auch noch mit dazu, auch wenn die auf nervige Geräusche reduzierte "(XY Code S1575F7.VS050)" Version jetzt zugegeben nix ist, das man als Normalsterblicher wirklich unbedingtestens mehrfach gehört haben müsste oder so... 

Sonst noch was aktuelles? Honorable Mentions?!

Nicht unerwähnt bleiben sollte dann noch, dass The Bug's letzte Digital-EP in der immer zu Bandcamp-Freitagen veröffentlichten "Machine" Reihe, namentlich "Machine V", schon im Februar dann eigentlich eine ganz gute Ergänzung zur Wiederveröffentlichung von Techno Animal's "Brotherhood of the Bomb" war, und dazu, dass ich mir letztens auch noch 'ne andere, ältere The Bug EP aus meinem Lieblingsplattenladen mitgenommen hatte.
Klar, zwischen meine aktuelle Faszination für Dub-Musik und gewisse, in Richtung Industrial-Sounds neigende Vorlieben von mir Instrumental-Doomer passt der instrumentale Industrial-Doom-Dub solcher The Bug Veröffentlichungen halt perfekt. 

Die neue Lustmord via Pelgaic Records habe ich noch nicht so wirklich gecheckt; mal ganz ehrlich gesagt vor allem deswegen noch nicht, weil mein Alltag in jüngerer Vergangenheit häufig irgendwie so ruhelos ab- und durchläuft, dass mir der Sinn noch nicht so richtig danach stand, in irgendwas um die 70 Minuten an Dark-Ambient-Tiefenrausch einzutauchen.
Klar, vielleicht wäre 
gerade das dann erst recht ein Grund, mir mal die Zeit für diese Pseudomeditation auch mal wieder zu nehmen...

So eine gewisse Art von Sympathie bis Möchtegerngeistesverwandtschaft verspüre ich ja auch für das US-Duo Zombi, das sich vom Synthie-&-Schlagzeug-Soundtrack-Spacerock ihrer Anfangstage, inspiriert durch Goblin, Tangerine Dream, Vangelis und John Carpenter, zuletzt immer Gitarren-orientierter zu instrumentalem Heavy-Progrock mit (späterer) King Crimson-Kante verschoben hat und uns damit nun das neuste Album "Direct Inject" präsentiert.
Da für die LP via Relapse Records dann aber auch schon wieder was um die min. 27 Euro aufgerufen werden, habe ich davon abgesehen noch mal tiefer in die neuen, oft eher kurz gehaltenen Songs der Band reinzuhören, denn nachher meine ich noch das kaufen zu müssen. Käme die Platte so sieben Euros billiger, hätte ich durchaus erwogen, aktuelle Zombi auch noch mehr in mein Leben zu lassen. Da geht's dann jetzt wirklich mal um's Prinzip, auch wenn meine persönlichen Prinzipien diesbezüglich irgendwie völlig diffus sind, denn wie ich sinngemäß schon letzten Monat zu einem anderen Label schrieb:
Das ist ja alles nicht neu und woanders nicht anders, auch etwas bigott von mir, weil ich einen solchen Preis für ein paar andere Tonträgerneuerscheinungen und willenlose Vorbestellungen dieser Tage 
durchaus ohne Zögern raustue, aber dieser erneute Preisanstieg ist halt im Kontext echt so auffällig und die paar Euros drüber, dass ich da jetzt mal wirklich meine Konsequenzen draus ziehen muss. 

"Clubmusik" Singles & EPs, sogar Alben...

We need Jungle, I'm afraid  /  Drum and Bass is my Heavy Metal

Irgendwie bin ich ja jetzt außerdem doch kurz davor, komplett einzuknicken, was meine bisherige Haltung angeht, der Flut rein digital veröffentlichter Drum'n'Bass-Tunes u.ä. nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken zu wollen.
Was derartiges angeht, hatte ich es zuletzt eigentlich eher so gehandhabt, mir die quartalsweisen Schallplatten-Rosinen rauszupicken, mit denen ich mich am gelegentlichen Vinyl-DJ-Mix versuche, und der hochfrequenten Flut nur als Files übers Internet erhältlicher Singles, EPs, sog. Dubplates und sogar Alben mit Musik für den Clubfloor in den für mich interessanten Nischen eher etwas ignorant gegenüberzustehen, denn den gelegentlichen Knaller, den man kennen muss, den würde man dann ja auch so schon mitkriegen. Und das tut man halt auch.
Dann tauchen da aber außerdem auf einmal eben auch wie aus dem Nichts witzige Rockklassiker-Mashups auf oder man hört im Mix des besten DJs in Town 'ne geil klöppelnde Nummer, die wegen ihrem Sprachsample-Slogan mal eben locker sowas wie mindestens meine Hymne des Quartals ist:

Und generell ist's ziemlich cool, dass der gerade entdeckte Typ, der für mein Motto der Stunde verantwortlich ist, auch Dub kann. Bin Instant-Fan, lieber Veak!
Apropos 
Motto der Stunde: MPC-Fingerdrummer Spinscott hatte dann inmitten der "We need Jungle, I'm afraid"-Craze auch einen kleinen Hit zum Meme-intensiven Musik-Moment des Quartals (und dass er ihn laut Eigenaussage mit dem antiquierten Madtracker zusammengedreht hat, das finde ich dann zusätzlich sympathisch, denn an dem habe ich mich vor Jaaahren auch mal versucht, bis ich dann doch noch auf Renoise umgestiegen war...).

Sieht wohl so aus, als würde ich trotz meiner rockmusikalischen Albumhörer-Sozialisation doch noch mal auf meine alten Tage anfangen, irgendwelche Einzelsongs aus dem Internet für Mixtape-artige Kontexte einzusammeln oder sowas. Und da ich ein autistischer Nerd bin, der dazu neigt, obsessiv in Hyperfokus-Spezialinteressen einzutauchen, habe ich gerade ein bisschen Angst davor, dass ich nächste Woche auf die Idee kommen könnte, mir dann jetzt doch auch noch 'ne CDJ-Garnitur zulegen zu müssen oder sowas, also bitte, falls Ihr wisst, wie Ihr mich davon abhalten könnt, tut es sehr bald...

Man könnte/ sollte/ müsste dann an dieser Stelle nämlich auch noch drauf eingehen, dass man sich bei Blackout Music NL inzwischen scheinbar auch komplett vom Konzept des physischen Tonträgers verabschiedet hat.
Das Langspielalbum-Solodebüt (!) vom altehrwürdigen Ed Rush 
z.B. gibt's nämlich auch nur auf ein paar Download-/ Streaming-/ DJ-Digitalportalen. 
Sicher, derartiger Neurofunk mit oft eher knackigen Track-Spielzeiten ist jetzt auch nicht so unbedingt die Musik, die Vinyl-Junglisten bevorzugt auflegen oder die sich an Wohnzimmerhörer und Massenmarkt-Endkunden abseits des Drop-lastigen Dancefloor-Mix richtet, aber irgendwas zwischen seltsam, schade und irgendwie auch bezeichnend (in Bezug darauf, welche schnelllebigen Richtungen derartige Subgenre-Clubmusik so eingeschlagen hat - die „Insignifikanz“, die diesen Album-Release abseits von Beatport umweht, ist für mich wirklich so ein bisschen irritierend) finde ich es schon, dass inzwischen nicht mal mehr das Langspielalbum von so jemandem wie Ed Rush etwas ist, das ich über ein Anzappen auf Soundcloud hinaus gebührend würdigen könnte, wenn ich wollte, weil Fun Fact: Eine der ersten Drum'n'Bass-Schallplatten, die ich mir je gekauft habe, war eine Ed Rush 12" aus dem Hause No U-Turn, aus der Ära, als man noch mit der gröberen Feile am Mittneunziger-Techstep-Style werkelte....
Und auch wenn der modernisierte Dancefloor-Neuro-Sound, den er heute auf "Light of the Void" fährt nur so mittel mein Ding ist (dichtkomprimierte Furzbässe, simple Beats mit zahmen Plocker-Kicks und kompakten Eimer-Snares, drumrum irgendwie viel Krach um nix...), finde ich ein paar Nummern ja durchaus nicht ganz verkehrt, wie z.B. das etwas zu den jamaikanischen Genre-Wurzeln schulterblickende "Steppin' out" oder den rockig abgehenden "Maasai Funk".



Was der finnische Fanu 
(welcher im Übrigen zu Musikbiz und Szene-Sitten auch immer wieder mal ernüchterndes zu sagen hatin einer etwas anderen Ecke derartiger Styles so fabriziert, das trifft zwar auch nicht immer zielgenau meinen persönlichen Nerv, man sollte ihn aber nicht unter- bzw. dafür schätzen, dass der Multi-Genre-Breakbeat-Liebhaber keinen aktuellen Clubsound-Strömungen hinterherläuft, sondern seit Dekaden seine eigenen Dinger durchzieht.
Jene kann man auch auf einer aktuellen Digital-EP via Metalheadz hören, die ein 4/4-Stück, eine Ambient-Schlussnummer und dazwischen vier Breakbeat-Exkurse durch gemäßigte Temporegionen beinhaltet. 

Nach der ersten Ausgabe im Februar gab's auch schon wieder eine weitere Bandcamp-Compilation auf Homemade Weapons' nun endendem Label Weaponry, mit einigen Solo- und Kollaborations-Tunes von ihm selbst und auch noch anderen Kollegen. 
Grundsätzlich mag ich diesen Style wiederum ja sehr! 
Zu meinen Favoriten gehören die völlig derbe abpeitschende Homemade Weapons & Todd Buchler Kollaboration "Statler" und Red Army's weird-heftiger "Shetani VIP".


Es ist auf der anderen Seite dann allerdings als krasses Gegenteil zum Trend sicherlich auch noch erwähnens- und bemerkenswert, dass nicht nur ASCs, sondern auch Eusebeia's Tonträger-Dauerfeuer mit immer weiteren Vorankündigungen der nächsten Veröffentlichungen auch dieses Frühjahr nicht abreißt.
Denn von
 ASC gab's nach 'ner EP auf Samurai Music Ende vergangenen Jahres im Februar schon wieder zwei 4-Track-EPs über zwei verschiedene seiner eigenen Label (SpatialCurvature), deren stilistische Abgrenzung mir nicht so ganz klar ist, denn bei beiden gibt's spaceigen Atmo-Drum'n'Bass zu hören. Ich find's ja einerseits echt ganz gut, bin aber irgendwie auch wirklich raus, mir da quartalsweise weitere Doppelbedienungen zu geben.
Eusebeia wiederum zieht nach einer EP auf einem von ASC's Labels im Dezember und dem gerade mal 'ne Woche altem Digitalalbum "Reality Change" auch schon wieder mit einem atmosphärisch-meditativen 12"-Two-Tracker nach, den er mit Freundin Aisatsaana fabriziert hat, sowie einer drei Tracks umfassenden Zusammenarbeit mit Artificial Red auf dem noch jungen Samurai-Sublabel Mindgames und einem neuen Solo-4-Tracker auf Samurai Music selbst. Und dann wäre da „kurz vor Redaktionsschluss“ auch noch was weiteres aus diesen Umfeldern aufgetaucht, nämlich 'ne kommende Eusebeia 10'' unter Waveforms-Banner.
Und Tim Reaper wär' dazwischen dann auch noch mit 'ner Waveforms 10" am Start, nachdem er neben zwei Splits mit Coco Bryce dann auch noch mit einer 
Dub & Wheel Kollaboration auf dem eigenen Label Future Retro London was ziemlich cooles raushaute.
Ich find' das alles ja durchaus echt gut, komme aber kaum noch mit...

Gremlinz & Jesta - Shoresy / New Sky 
(Shark With Laser On Head
)
Letzten Monat noch taten sie ein 3LP-Langspielalbum übers Traditionslabel Metalheadz raus, da sind die beiden kanadischen Drum'n'Bass-Protagonisten parallel schon wieder mit einem neuen eigenen Schwesterlabel namens Shark With Laser On Head am Start (was wohl auf einen zwanzig Jahre alten Insider-Joke zurückgeht)
Auf der Launch-Veröffentlichung war u.a. die gefühlt allgegenwärtige Retro-Jungle-Speerspitze Tim Reaper mit dabei, paar Wochen später hat man schon wieder den nächsten eigenen Two-Tracker draußen. 
Und der kantig-grobe, irgendwie ziemlich altbackene Vibe, mit dem "Shoresy" sich nach vorne hämmert und "New Sky" durch's Midtemo breakdanced sind schon irgendwie eine amüsante Abwechslung zu allem, was es da draußen noch so gibt. 


Outrage Goodbye
(Over/Shadow)
Da ich nicht so wirklich viel über Andrew Ferguson alias Outrage und die Hintergründe dieses Release weiß - außer, dass sich Over/Shadow weiterhin als Qualitätsmarke mit Veteranenfaktor festigen -  können wir uns hier erstmal kurzfassen:
"Goodbye" und "In The Dark" sind zwei Old-School-Jungle-/ Drum'n'Bass-Freilandluft atmende Tunes mit Soulvocal-Puzzleteilen, geiler Breakbeat-Arbeit und gelungen auf den Punkt gebrachten Arrangements mit Deja-Vu-Sounds, die einfach nur ziemlich, ziemlich gut sind. 
Und was ich jetzt sage ist so ein bisschen wie ein Sprung in meiner persönlichen Clubmusik-Platte, denn ich habe das so ähnlich irgendwie auch schon 1-2 mal gesagt, aber so sehr ich ja eigentlich vornehmlich mit Rock-/ Metal-Musik sozialisiert wurde und auch bei elektronischen Clubsounds gerne mal eher die düstereren und energischeren Gangarten bevorzuge, so fühle ich mich in letzter Zeit auch immer öfter mal eher auf dieser Seite der DnB-Szene wohler, anstatt tiefer in die Subgerne-Ecken mitzukommen zu wollen, in denen unter JumpUp-/ Neurofunk-Banner eigentlich nur noch schnelllebig-austauschbare, dichtkomprimiert-fräsende Stressmucke fabriziert wird. Aber hey, ich war auch mal jung und so weiter...

Traces - No One (Can Tell I) / Listen (7")
(ZamZam Sounds)
Letzten Monat haben wir ja außerdem sehr wohl über Dub geredet (versteht wer die Anspielung?) und darüber, dass ich zuletzt auch irgendwie verstärkt Spaß an Halftime-Headnoddern aus der
Bassmusic-Ecke hatte. Dazu passt dann jetzt auch noch folgendes: Ich habe ja sehr, sehr große Sympathien für Label wie 45Seven aus Leipzig und eben ZamZam Sounds aus Portland, Oregon, USA.
Man muss zwar schon 'ne Extraspur bekloppt sein, sich dann auch noch sowas in die Plattensammlung zu abonnieren, aber das Konzept beider Label ist es, mit dem traditionellen Format der 7"-Single eine Dubwise-Brücke zu neuzeitlichen Subgenre-Auswüchsen ins Bermudadreieck zwischen Reggae-Roots, Jungle-/ Drum'n'Bass-Dancefloor und experimentellem (Deep-)Dubstep zu schlagen.  
Der neuste ZamZam-Release kommt von jungen Londoner Duo Traces. 
'No One (Can Tell I)' ist vor allem ein atmosphärisch groovender Dub-Tiefenrausch und der im Zickzack Boxenmembranen strapazierende Basssound von 'Listen' macht aus der anderen Seite einen geilen Dubstepper, bei dem der Dub und der Stepper inkl. Wahnsinns-Breakdown-Part gleich groß geschrieben werden.
"No digital, no repress.", nur kurze Ausschnitte, ich find's cool:

unknown - Ghetto Living / Garnett (10")
(Dubwise Revolution)
Etwas, das mit meiner bis zur offenen Ehe neu erblühtem Liebe zu Jungle/ Drum’n’Bass und einer gesteigerten Affinität zum Stichwort Dub dann zuletzt zwangsläufig auch kam, das ist durchaus Freude an Whitelabel-Releases von Sample-Mashup-lastigen Tunes bzw. inoffiziellen Jungle-Remixes von Reggae-/ Dancehall-Songs zu haben, wie sie kulturell appropriiert (sorry) über semi-ominöse Sublabel wie eben u.a. z.B. auch Dubwise Revolution aus dem österreichischen Dubbing Sun Umfeld rauskommen. 
Sicher geht originell oft auch anders, aber ein paar solcher, halt Laune machender Teile für den Vinyl-DJ-Mix zu haben, weil’s nicht immer nur "Chase the Devil" sein kann, das gehört dann irgendwie auch dazu.
Diese Whitelabel-10'' (auch hier: "no digital, no repress!") zieht mit zwei Tracks sämtliche Register: Sleng Teng Riddim und Bariton-Raggamuffin, drückende Subbässe und tschackernde Breakbeats, Halftime-Groove mit Dancehall-Vibe, typische Dub-Soundeffekte obendrauf usw.
Nein, ich müsste mir jetzt auch nicht quartalsweise eine neue Platte wie diese mit in die DnB-Hälfte meines Regals schieben, aber in gelegentlicher Wohldosierung macht sowas halt eben doch auch sehr viel Spaß! 


various artists - Spy Technologies X Sampler
(DSCI4)
Hier wird's jetzt fast ein bisschen kompliziert: Die diesjährige physische Veröffentlichung des "Spy Technologies X" Samplers bietet 4 Tracks, die auch schon im Rahmen der letztjährigen Digital-Version mit ursprünglich acht Nummern zu hören waren.
Und jeder besagter vier ist eine ältere Kollaboration von DSCI4-Labelboss Duncan Hutchinson alias DJ Trace mit jeweils einem anderen Kollegen, geremastert usw.
Ursprünglich wurde für die mit Nico sogar der alte Projektname Skyscraper aus der Mottenkiste geholt, auf der Platte läuft die 25 Jahre lang unveröffentlichte Produktionsvariation von "Replicants" jetzt aber unter DJ Trace & Nico, was den geneigten Freund der sog. Techstep-Spielart von Drum'n'Bass-Musik aufhorchen lassen muss, denn der sowieso schon nicht für einen allzu umfangreichen Eigen-Output bekannte Nicholas "No U-Turn" Sykes hat die letzten 10-15 Jahre ja eh nicht so wirklich viel gemacht, außer Remaster-Fassungen bekannter Klopfermusik-Klassiker ins Weltnetz zu entlassen.
Tatsächlich bin ich jetzt mal ganz ehrlich gesagt ja nicht der allergrößte Trace-Fan, aber die gelegentliche DSCI4- oder 117 Recordings-Veröffentlichung holt mich dann ja auch doch schon mal ab und solcher, an sich zugegeben ziemlich simpel-grober SciFi-Bunker-Drum'n'Bass nach originaler Mittneunziger-Rezeptur wie eben "Replicants (VIP)" geht bei mir wirklich immer.*


*

Hierzulande an die Releases bestimmter UK-Label ranzukommen wird im Übrigen derweil auch irgendwie immer undurchsichtiger, seltsamer, abenteuerlicher, aber damit will ich jetzt nicht auch schon wieder anfangen...


Mix-o-Mania...

An DJ-Sets, Mixtapes, Livestreams etc. hatte ich in den vergangenen Wochen ja eeiiigentlich erstmal nicht sooo viele unbedingt teilungswürdige gehört (/gesehen), weil die Ausbeute aktueller Alben allein mit solchen Kalibern wie Kim Gordon oder Squarepusher ja schon für so einige Rotationen dauerlief. Außerdem ist im Soundsystem-Bassföhn stehen bzw. tanzen eh viel geiler, als sich sowas aus dem digitalen Äther ins Wohnzimmer zu holen. 
So eeiiinige Sachen in der Hinsicht gab der Notizzettel dann im Osterurlaub aber auf einmal dennoch mehr und mehr her:

Man muss es ja leider immer dazu sagen, aber "Dubstep" ist nicht wirklich der elektronische Nu-Metal mit überdrehten Sirenensounds, mit dem Skrillex berühmt wurde. Der eigentliche Dubstep ist natürlich Musik, die, ganz ohne grelle Karikaturenhaftigkeit, um wabernde Subbässe herum auch viel Luft zum atmen lässt, zu meditativ-vertieftem Tanzen einlädt, hörbar mit der Soundsystemkultur der Dub-Musik (duh) verbunden ist.
Jener sympathische, spärlicher instrumentierte, tatsächlich zum Dub (anstatt zu Roboterlärm-Gemoshe) neigende Dubstep scheint derzeit auch mal wieder sowas wie ein kleines Comeback in der allgemeinen Clubmusik-Aufmerksamkeit zu feiern und ich bin da tatsächlich mit dabei, denn ich hör' sowas wirklich gerne.
SPE:C-Labelchefin und "reef (Berlin)"-Organisatorin Darwin hat einen "intentionell nirgendwohin gehenden" Mix zusammengedreht, der die Dubstep-Kernpunkte Heavy-Lowend und trippy Space betont:   


Wo wir schon in Berlin sind, ist's irgendwie auch noch erwähnenswert, dass die techsteppende Humanoid-Crew neulich auch mal wieder bei HÖR ran durfte, ganz ehrlich gesagt fand ich die Sets von PRTCL B2B Survey und SpecOne bei aller Liebe zu genau derartigen Sounds aber nur so mittelspektakulär. 
Bei ihrem Podcast war letztens allerdings Sammy B mit einem coolen Mix an Dark-Rollern und Smashern an der Reihe:


Klar, der zweistündige Mix, den sich Gremlinz und Jesta anlässlich ihres aktuellen Metalheadz-Langspielalbums im Rahmen derer KoolFM-Sendung teilten, sollte auch noch gewürdigt werden:


Kollege Eratekk hat außerdem jüngst einen reinen Vinyl-Mix mit Jungle/ Drum'n'Bass ins Weltnetz entlassen.
Dortmund Massive, Nordstadt Ruffage!


Es soll ja Leute geben, die Stranjah, welcher mit Tutorials zu Drum'n'Bass-Produktions-Tipps u.ä. zu Youtube-Fame kam, ein bisschen „cringe“ finden, was ich allerdings primär für typisch-missgünstiges Internet-Grundrauschen halte.
In my Book ist nämlich jedweder „Szeneveteran“ cool, der sich „Nachwuchsförderung“ zum Anliegen macht. Mit einer neuen Reihe namens „Local Legends“ möchte er DJs aus seiner Gegend hervorheben. Z.B. Ms. GothicFish, die eine ungewöhnlichere Persönlichkeit ist und neben vielen anderen Dingen u.a. auch geile Drum’n’Bass-Sets auflegt, wo zwischen modernem Dancefloor-Kram durchaus auch mal Platz für eine Portion Ragga-Jungle-Roughness ist. 
Es ist mir im Übrigen kein bisschen peinlich einzugestehen, dass ich diesen Pendulum-Remix von "Voodoo People" liebe (ja, „ich hab‘ ihn sogar ‘auf Platte‘…“).


Jungle/ Drum'n'Bass gibt's auch schon mal bei Keep Hush, die jüngst u.a. in London coole Sets von Doc ScottMantra b2b Double O oder Nia Archives eingefangen haben, besonders erwähnenswert ist allerdings Yungfya's Multigenre-Set vom Berlin-Takeover, der nach 'ner coolen Grime-Phase auch noch im Dschungel endet:


Old School Amiga Junglist Pete Cannon war letztens beim belgischen Kiosk Radio und ging ab wie 'ne Fasttracker-Rakete (ja, ich weiß, Faststracker war 'n MS Dos-Programm, aber OctaMED-Rakete klingt nicht so passend), was durchaus sehr viel Spaß gemacht hat:


Wenn Rozzer bei der Tech Itch Recordings-verbandeltem Bio-Tech Radio Show mit auflegt, zappe ich das ja immer wieder mal an, denn Rozzer ist das Drum’n’Bass-Alter-Ego von Matthew Rozeik, der einst in der instrumentalen Metal-Band Astrohenge spielte, um sich danach mit Necro Deathmort zunächst an sowas wie Godflesh-Worship zu versuchen, bevor man noch zu völlig anderen elektromusikalischen Experimenten abrauschte... Und alle guten Leute können Country und Westäh, Meddl und Jungle.
Anyway, der "All Crew" Broadcast von letztens sei, weil's so geil ist, dann auch noch geteilt:


Noch ziemlich neu ist der Industrial Drumcast, bei dem man sich vor allem den härter ballernden Gangarten des Drum'n'Bass widmen möchte.
Und so geht der Set von Fouria auch ganz schön zur Sache:


Wenn mir dann aber schon mal danach ist, in eine andere Clubmusik-Ecke einzutauchen anstatt die Nische donnernder Breakbeat-Drums und bebender Basssounds, dann lande ich schon mal bei der Berliner Art Bei Ton Plattform, wo Chefin Hypnotic Black Magic und ihre KollegInnen genauso zu meditativem Ambient wie pumpenden Deep-Techno neigen.
Wir hätten aus dem Umfeld aktuell einen Stream vom New Yorker The Lot Radio zu bieten und den
Mitschnitt eines fünfstündigen (!) HBM-Sets im Berliner Tresor
Die letzten beiden Mixe von Aksamit tun wir, weil's so schön ist und gerad' passt, dann auch noch mal eben obendrauf:


Last but not least sollte man auch noch auf den Liveset, ja, nicht DJ-Set sondern Live-Performance, des Mainzers Dreadmaul eingehen: Letzten September nahm er Modular-Synths, Looper und weiteres Gear mit nach Berlin, wo er eine Dawless-Performance mit Halftime-/ Tribal-Flair teilimprovisierte.
Dessen Konservierung man nun der Nachwelt zugänglich gemacht hat.
Sehr, sehr cool, mehr von sowas bitte!



Gibt's sonst noch was, über das wir mal reden wollen?

Mit AC55ID (sowas ähnliches wie Bandcamp, aktuell noch sehr Techno-latig) und James Blake's Vault (muss man sich leider mit seiner Mobilnummer registrieren) sind zwei unterschiedliche, "faire" Musikplattformen neu gestartet, die man sich mal ansehen sollte.

Dale Crover's Signature-Stimmschlüssel finde ich, da selbst Schlagzeugverprügler, eine ganz witzige Idee, bin allerdings jetzt natürlich auch nicht so ein willenloser Fanboy, dass ich mir so ein Teil für mehr als 'nen Zwanni plus Shipping plus Zollgebühr aus den USofA bestellen müssen würde... 

DUG, die ja auch schon irgendwie im Streit als Duo-Spin-off aus dem Trio Buildings hervorgingen und mit dem 2022er "Pain Machine" immerhin eines meiner Lieblingsalben der letzten Jahre in Sachen kaputter Dröhnscheppergröl-Musik fabrizierten, haben inkl. Tourabsage ihren „Hiatus“ wegen „interner Probleme“ verkündet.
Was ist da denn schon wieder los?

Unter den Überlebenden der AmRep-Institution God Bullies scheint es ebenfalls Beef zu geben. 
Frontmann Mike Hard ruft mit seiner Zweitband Thrall die GB-Revivalparade aus und wird daraufhin von Ur-Basser Mike Corso des Markenschwindels und Narzissmus' bezichtigt. An anderer Stelle wird gemunkelt, der Split zwischen den beiden hätte allerdings auch was damit zu tun, dass 
Corso tief in die Szene reaktionärer Verschwörungsschwurbler mit MAGA-Mützen abgedriftet ist. Und dann ging die unreife Internet-Schlammschlacht dazu erst noch so richtig los.
Irgendwie schon schade, dass heutzutage nichts früher mal gutes, eigen- und einzigartiges mehr ohne ein Drama solcher Art zu implodieren scheint, während der Rest der Welt zugucken darf...

Die südafrikanischen Groove-Grindcoreler Groinchurn haben für diesen Sommer tatsächlich ein paar Europa-Dates und neue Aufnahmen angekündigt. 
Wer so Ende der Neunziger dabei war, als die phasenweise sehr ambitionierte Band (man wollte sogar mal gänzlich in hiesige Breitengrade umsiedeln) unter den Kennerspezialisten im Krachgeknüppel-Underground für so fünf Minuten der ganz, ganz heiße Scheiß war, bevor sie dann erstmal wieder in der Versenkung verschwand, dürfte das vielleicht tatsächlich irgendwie beachtenswert finden.
Auf meiner Seite hat sich das in den letzten Jahren ja alles irgendwie ein bisschen so entwickelt, dass dieser ganze Röchelklöppel-Kram nicht mehr so meins ist. In dieser groben Szene-Ecke gibt der Menüplan nämlich zwischen den Optionen „weitgehend humorlose Death-Metal-Schlagseiten“ und „unerträglich unlustiger Karnevals-Kack“ eigentlich sonst nur noch den Standardhappen an „attitüdisch sympathisch, musikalisch generisch“ her, und die wenigen, kreativ-originellen Rosinen dazwischen rechtfertigen das Wühlen im Brei einfach nicht mehr, denn in meinem Alter macht man sich nicht mehr so gerne dreckig. 
Sollten Groinchurn allerdings tatsächlich noch mal irgendwie in der Gegend aufspielen, würde ich wohl tatsächlich nochmal hingehen.

Ipecac kündigten zunächst nur vage irgendwas kommendes von The Jesus Lizard an, die auch schon für ein US-Festival bestätigt sind, aber ob da tatsächlich ein neuer Tonträger unterwegs ist oder sowas ist aktuell immer noch offen. 

Auch unter den überlebenden Killing Joke-Mitgliedern ist Unmut ausgebrochen und Frontmann Jaz wird von Original-Drummer Big Paul öffentlich semikryptisch kritisiert.
Hier ist's nochmal umso mehr schade, dass auch diese Geschichte jetzt noch irgendwie unschön enden muss.

Dass sich Adrian Belew und Tony Levin unter dem Namen Beat mit Danny Carey und Steve Vai zusammengetan haben, um Material der drei 80er-King Crimson-Alben zu spielen, ist auch so 'ne Sache. "Sex & Religion" damals hin oder her ist Vai ja nicht gerade jemand, den ich mit Musik, die ich hören möchte assoziiere...

Ord Cannon, eine neue Duoformation, in der die ausgelaufenen Black Shape of Nexus und Bellrope ihre Fortsetzung finden, haben kürzlich was aufgenommen und ich bin sehr gespannt drauf.  


Alben-Ausblick ab April

Kann man dann auch noch mal eben abspulen: Scheint so, als wenn der Freitag, der am nächsten am 20.04. ist, jetzt irgendwie als obligatorischer Neuerscheinungen-Tag für all things Sludge/ Stoner/ Doom herhalten muss, denn am 19.04. kommen die neuen Alben von Big|BraveBongripperHigh on Fire und den Melvins raus.
Paar Tage später auch noch der erste Teil einer neue Trilogie von Steve von Till's Harvestman, u.a. mit Al Cisneros auf Dub-Kurs. Auf letzteres habe ich durchaus besonders Bock!



In den Wochen davor erscheinen außerdem ein neues Album der französischen Love Sex Machine (deren 2016er "Asexual Anger" ich seinerzeit ja ganz geil fand), das ebenfalls langerwartete zweite Langspielalbum der Heavy-Noiserocker Whores., die nächste Metz und 'nen neues Doppelalbum von Einstürzende Neubauten
Und zum Monatsende hin kommt dann auch noch das Debüt von Eye aus dem MWWB-Umfeld und die 
Meat Beat Manifesto & Merzbow Kollaboration in Tonträgerform, die man eigentlich schon seit Wochen bis Monaten auf Bandcamp hören kann.
Nächstes ASC-Langspielalbum im Übrigen auch schon wieder.
Und im Mai dann Beth Gibbons Soloalbum, neue Göden, neue Shellac, weitere John Carpenter "Lost Themes" und obendrauf 'ne überteuerte Dälek-Reissue.
Ganz schön viel schon wieder. 

Donnerstag, 29. Februar 2024

Notizen an mich selbst, Februar '24

Der zweite Monat ist dann auch schon wieder rum, liebes öffentliches Musikjunkie-Tagebuch? Is' ja 'n Ding...
Ja, wir machen das hier jetzt jeden Monat 
einmal.
Also resümieren wir mal den Februar:

Das Thema Dub-Musik spielte wieder mal 'ne größere Rolle.
Z.B. habe ich mir nach einigen der King Tubby- und Upsetters-Essentials aus den 70ern zuletzt u.a. auch ein paar von Scientist's klassischen 80er-Alben zugelegt, die ja interessanterweise zu einer Zeit erschienen, nachdem der Einfluss des Dub längst in der englischen Musikszene Einzug gehalten hatte (war Euch eigentlich schon bewusst, dass "Bela Lugosi's Dead", "Turn to Red", 
"Walking on the Moon" und das Debütalbum der Slits tatsächlich im gleichen Jahr erschienen?), das „Mischpult-lastige“ Genre spontaner Reggae-Remix-Experimente in direkter Fortführung seiner jamaikanischen Originalstrukturen dann aber kurz vorm vorläufigen Bedeutungsverlust noch mal auf ihren minimalistisch-atmosphärisch punchenden Zenit hoben und einen beträchtlichen Teil dazu beitrugen, was wir heute mit typischen Dub-Snaresounds assoziieren.
Repräsentativ ein paar Releases, die's bei Bandcamp gibt:

Die ganze, noch lange nicht abgeschlossene Geschichte, die's drumrum noch so mit Musikbiz-Rechtstreitigkeiten und daraus resultierten alternativen Versionen der Veröffentlichungen gibt etc. pp., die ist dann schon wieder echt ein bisschen kompliziert und verworren. 
Aber irgendwas hat diese über weite Strecken instrumental gehaltene, entspannte und trotzdem drückende Musik, das mich in jüngerer Vergangenheit verstärkt zur Ansicht kommen ließ, davon doch noch ein bisschen mehr in meinem Leben zu brauchen.

An dieser Stelle muss ich dann außerdem auch noch einen Shoutout an die Dortmunder Sightiva Hi-Fi Crew und ihr irres Soundsystem geben.... 

...denn sowas in der Stadt zu haben ist dann ja auch schon wieder geil...

Aktuelle Tonträger?

Ja, e
rneuten Neuerscheinungen-Zuwachs im Plattenregal gab's dann natürlich auch wieder. 
Und ich hab' ferner in Sachen reingehört, die ich mir dann irgendwie erstmal doch (noch?) nicht so unbedingt auch kaufen musste, von denen ich Euch aber trotzdem erzähle, weil Sharing bekanntlich Caring ist.
Was davon was ist verrate ich nicht allzu direkt:

Baratro - The Sweet Smell of Unrest
(Improved Sequence)
So sehr ich mich, was meine persönlichen Geschmacksbefindlichkeiten und Hörgewohnheiten betrifft, in jüngerer Vergangenheit immer mehr und noch mehr von metallischer und/ oder hardcoreiger Auf-die-Fresse-Musik weg zu entwickeln meine, so habe ich es beim Unsane Konzert in der Bochumer Trompete im Frühjahr '23 dann ja doch noch mal sehr deutlich gemerkt: Unsane gehen bei mir eigentlich nicht nur wirklich immer, sondern irgendwie ist das für mich sogar trotz aller Wut und Wucht ein bisschen sowas wie Gute-Laune-Musik. Stichwort „kathartisch? Ja, es ist halt diese ungezügelt-direkte „Zerstörungslust“, die das Ganze ausstrahlt, die auch was viel authentischeres hat als etwa Typen, die sich geschminkt und mit Nietenarmbändern in den Wald stellen und dann mit dudeliger Schraddelkrächz-Musik nach reinheitsgebotener Anleitung den der modernen Welt überdrüssigen Misanthropen markieren wollen. 
Oder anders gesagt: Originaler Noiserock, gerade auch der etwas kernigere, in Richtung metallischer Hardcore-Härte lehnende, ist wohl halt einfach doch total mein Ding.
Was das mit Baratro zu tun hat ist natürlich, dass dies die aktuelle Band von Dave Curran ist. Jener war ca. 1994–2019 Basser der zwischendurch zwei mal aufgelösten und inzwischen etwas fragwürdig umbesetzten Unsane und auch mal beim Ableger The Cutthroats 9 dabei gewesen, während auch andere Bands von/ mit ihm wie The J.J. Paradise Players Club, später nur noch Players Club, und dann auch noch deren Nachfolger Pigs ebenfalls durch die Bank ganz geil waren.
Inzwischen lebt er in Mailand, wo er mit Federico Bonuccelli und Luca Antonozzi neue, jüngere Mitmusiker zur Bandgründung fand, die seinen typischen Sludge-Punk-Stil mit noch etwas mehr metallischem Post-Hardcore im Sound und Spiel abkanten.
Und auch hier merke ich wieder mal: So sehr ich eigentlich von Klöppelbrüll-Musik so'n bisschen weg zu sein meine, so ist Musik aus dem Unsane-Stammbaum halt sehr offensichtlich dennoch das, was trotzdem irgendwie immer geht, und somit auch mal wieder in dieser neusten Bastard-Inkarnation.
Schon die 2021er Debüt-EP "Terms and conditions" war ganz cool, Langspielalbum "The Sweet Smell of Unrest" zieht nun mit elf Songs nach.
Baratro sind dabei noch mal 'ne ganze Ecke derber als es etwa Pigs waren. Passagenweise streift das Massivgerumpel des Trios auch schon mal an der Grenze zum Stresscore vorbei, womit der überreife Apfel jetzt auch nicht weit vom besagten Unsane-Stammbaum fällt, man wagt allerdings das Update, sagen wir ruhig mal ein bisschen mehr in eine Roadburn-eske Ecke zu schielen.
Neben grobem Caveman-Doom-Gestampfe holt Gitarrist Bonuccelli auch schon mal psychedelisch-verhalltes Lead-Geschraddel raus, und generell ist das Ganze insgesamt eine ganze Spur bissiger und metallischer als vergangene Curran-Bands. 
Für Ästhetenohren ist das nichts, nein. Und für Leute, die so richtig krasse Kicks an stürmisch drängendem Aggrokrach brauchen, ist das hier mutmaßlich immer noch nicht krass genug. Für mich, dem der Sinn mit steigendem Alter immer weniger nach derartiger Krawallmusik steht, ist's dann aber doch das eine Rumpelgröl-Album des Quartals mit einem Bein in der wohligen Nostalgie des Gewohntem und dem anderen in einer neuen, aufwühlenden Geschichte, auf das ich dann doch noch mal gelegentlich Bock habe. Heutzutage nicht mehr so wirklich oft, aber gelegentlich halt immer noch mal wieder. 

The Body & Dis Fig - Orchards of a Futile Heaven
(Thrill Jockey)
The Body hatte ich, trotz Konzertbesuch im Sommer 2019, über die letzten sieben bis zehn Jahre ja irgendwie immer weniger verfolgt, obwohl ich vor allem so 2010-2014 rum wirklich mal ziemlich beeindruckt und begeistert vom ungewöhnlicheren, experimentier- und kollaborationsfreudigen Industrial-Sludge-Noise-Doom-Duo war.
Wie das aber 
mit Bands/ Künstlern so ist, die generell eher nicht nur selten was, sondern relativ viel veröffentlichen, fällt dann halt irgendwann auch schon mal was durch's Raster oder ist „zu viel des guten“ und so weiter. Wenn ich mal ganz ehrlich bin, habe ich mir ihr 2021er Country-Kollaborationsalbum mit Big|Brave dann z.B. eigentlich primär wegen den grandiosen Big|Brave zugelegt, während ich diverse experimentelle Krach-Kooperationen, Reguläralben mit Popsong-Annäherungen oder Split-Kleinformate, die das sympathische Duo im Lauf der Jahre drumrum auch noch so raushaute, während man live dann ja doch irgendwie ein „One Trick Pony“ ist (das auf dieser Seite des Atlantischen Ozeans nur mit Aushilfsschlagzeuger auftritt, weil Originaldrummer Lee Buford unter zu schlimmer Flugangst leidet), dann nicht auch noch alle brauchte.
(Noch dazu ist’s halt, wie einen Eintrag drüber auch schon erwähnt, 
tatsächlich so, dass ich auf meine domestiziert und altersmilde gewordenen Tage immer weniger Lust auf allzu krasses Getöse und Geschrei habe.)
Mit dem The Bug feat. Dis Fig Album auf Hyperdub bereits im Plattenregal war das neue The Body & Dis Fig Album dann allerdings irgendwie so ein No-Brainer auf der Interessensliste.
Die in den USA geborene, in Berlin lebende Felicia Chen alias Dis Fig ist Elektronik-Musikproduzentin, Noise-Künstlerin, Vocal-Performerin und DJ, außerdem anscheinend dem Metal ästhetisch nicht ganz abgeneigt.
Hier treffen also GrenzgängerInnen mit verschiedenen Ausgangspunkten, jeweils tendenziell weiterem, künstlerischen Horizont, aber eben auch vage vorhandenen Gemeinsamkeiten aufeinander.
Und "Orchards of a Futile Heaven" ist tatsächlich auch das beste, was rauskommen konnte, wenn eine experimentelle Metal-Band, die nicht wirklich eine Metal-Band sein will (und wenn einer das verstehen kann, dann ich), kreativ mit einer Partnerin in Crime verschmilzt, die von der elektronischen Seite aus auf der Suche nach der richtigen Balance von Maschinenlärm und Menschlichkeit ist. Mit Metal hat das Teil nämlich wenig bis gar nichts mehr zu tun. Die sieben Tracks werden von Rauschlärm-Texturen dominiert, bei denen sich The Body's Chip King durch den Hintergrund keift, während die Singstimme von Dis Fig in den Vordergrund tritt. 
Die doom-metallischen Roots von The Body stecken zwar immer noch in der DNA des Ganzem, verschwimmen aber mit elektronischen Bausteinen zu unwirtlichen Industrial-Klangsphären.
Und ja: Ich finde das tatsächlich ganz geil und bevorzuge so etwas jederzeit gegenüber jedwedem generischen „Extrem-Metal
 o.ä. ...

Gremlinz & Jesta - The Lee Garden Historical Preservation Society
(Metalheadz)
Schon wieder Drum'n'Bass? Ja, schon wieder Drum'n'Bass! Drum'n'Bass ist mein Happy Place! 
Der Kanadier Gabriel Au alias
Gremlinz ist generell ziemlich kollaborationsfreudig: In seiner bisherigen Vita finden sich diesbezüglich von 2005 an u.a. auch Namen wie der Krach-und-so-Fave Homemade Weapons, der Youtube-Tutor Stranjah und geschätzte UK-Hausnummern wie Digital, Loxy, Friske, Ink oder der aktuell wohl irgendwie weitgehend verschollene Paragon ein. Und die Liste an entsprechenden Labels liest sich mit u.a. 31 Records, Renegade Hardware, DSCI4, Function, Paradox Music oder Samurai dann auch schon relativ prestigeträchtig.
Am häufigsten arbeitete er im Laufe der letzten acht
 Jahre allerdings mit seinem Landsmann Jesse Heifetz alias Jesta zusammen. Die kombinierten Namen dieser beiden haben bestimmt schon so 15 Singles/ EPs und Compilation-Beiträge geziert. Und einige davon habe ich sogar tatsächlich im Plattenregal.
"The Lee Garden Historical Preservation Society" ist nun ein 13 Tracks starkes 3LP-Album auf Goldie's Metalheadz Label.
Und das 3LP-Album bietet auch viel: Optimistische Retrojungle-Vibes in fast schon triphoppiger Gangart ('Big White') genauso wie einiges an hartkantigem Düster-Geklopfe, dazwischen dunkel-atmosphärische „würd‘ man dazu echt noch tanzen?“-Nummern, der Vocal-Track 'Vermin (ft. Flowanastasia)' wiederum hat evtl. dezent was von Björk oder so, und ich würde so weit gehen das Etikett für 'For To Say' mit einem etwas albernen „Heavy Jazzstep“ zu beschriften, denn es klingt so, als hätte man 'ner Spätneunziger-Roni-Size-Nummer ein  bisschen mehr Beef verpasst.
Klar, das hier folgt über weite Strecken schon noch den Regeln „mixbarer“ Clubmusik und Genre-typischer Arrangements, man sollte weder sowas wie durchkomponierte Popsongs, noch komplexen IDM-Braindance in die Erwartungshoffnung gemogelt haben, sondern DnB-Tracks, die eher auf der düster-verhaltenen als der völlig abgehenden Seite des Genres unterwegs ist. Eben in der Nische zwischen dem traditionsreichen Label 
Metalheadz und der gerne mal etwas minimalistischer experimentierenden UVB-76-/ Samurai Music-Ecke.
Es ist damit aber halt auch jene Art von elektronischer Clubmusik, die ich generell sehr gerne höre und die hier auch im Albumkontext super funktioniert. 


Island Apes – Island Apes
(God Unknown)
Altherren-Alternative mit Noiserock-Kante, Psychpunk-Anwandlungen und sogar einem Dub-Exkurs? Mit David Ryley am Bass, der in den sieben Jahren ihres Bestehens Ende der 80er bis Mitte der 90er mit Fudge Tunnel aktiv war, eine meiner absoluten Lieblingsbands?
Count me in, denn e
s ist mir schon in der Sache unmöglich, die Island Apes nicht gut zu finden.
Der Name der Band ist dabei nicht einfach nur witzig, sondern auch gar nicht mal so unpassend gewählt, denn eigensinniger Humor, das Stichwort Spacerock, rauer Punk-Charme, Dub-Tendenzen und ein Hauch von Krautrock-Einfluss… all das ist ja wirklich irgendwie so durch und durch britisch wie die Teatime.
"Island Apes" ist dabei ehrlich gesagt allerdings 
ein, in seiner Breite etwas seltsames Album. Die Band ackert sich genauso durch rhythmisch abgehackte Eruptionen, die schon nicht mehr sooo weit von sowas wie Shellac weg sind, um an anderer Stelle Surfrock-Reminiszenzen durchschimmern zu lassen. Auf der Mitte des Albums hypnotisiert ein Dub-inspiriertes Stück, zum Schluss in die Wirklichkeit zurück entlassen wird man dann noch mal eben kurz durch eine Passage reinen Psych-Gesäusels. Dazwischen ist ein Song wie der dafür ganz schön lang geratene 'KOB' ein punkiger Abrock'n'roller.
Ein typisches Debütalbum einer Band, die in der Summe ihrer erfahrungsreichen Einzelteile, die langjährige Underground-Krachmacher dann aus ihren jeweiligen Ecken so mitbringen, erstmal die ersten Ideen sortieren musste, und allzu generische Spartenbedienung wird dabei vermieden. Wenn einer das versteht, dann tatsächlich ich. 
Das Label God Unknown, dessen Schwerpunkte tatsächlich Noise- und Psychedelic-Rock sind, wo auch schon Napalm-Death-Urgestein Nic Bullen seine neue Sludge-Punk-Band Rainbow Grave vorstellte und man neulich auch mal ein episches Monster Magnet-Frühstwerk aus der Wundertüte zog, ist jedenfalls wirklich das perfekte Zuhause hierfür! 

Nadia Struiwigh - Voxis Ohlun EP
(Blueprint)
Keine Ahnung, ob man das Statement bringen kann, dass Vollprofi Nadia Struiwigh in jüngerer Vergangenheit noch mal einen Popularitätssprung erlebt hat oder sowas, aber ich habe schon das Gefühl, dass sie wirklich sehr, sehr, sehr umtriebig ist. Noch letzten Herbst begeisterte sie mit ihrem neusten Langspielalbum "Birds of Paradise", kurz vor Weihnachten wurde auch noch mal eben 'ne Remix-EP 
(mit Om Unit Version!) zu ihrem 2021er Album "Pax Aurora" nachgeschoben, und auch wenn ich ihre durchgängige Mitteilsamkeit an Socialmedia-Reels, die sich wenn nötig auch schon mal an musikszenischen Unsitten aufhängen oder tagesaktuelle Befindlichkeiten in die Welt hinausphilosophieren, echt schon ein bisschen viel finde, mag ich die positive, bescheiden-lebensfreudige Attitüde, die sie dabei ausstrahlt.
Auf der "Voxis Ohlun" EP zeigt sich sich im Laufe von vier Tracks nun von einer etwas anderen Seite als ihrer Ambient-lastigen Paradedisziplin: Es ist mitunter etwas weirder klingender Techno an der Tagesordnung. Ein mal ziemlich langsam, ein mal mit eher gebrochenen Beat, zwei mal im straight pumpenden 140-BPM-Bereich, dabei gegen Ende gar mal mit Bassmusic-artigen Sounds. 
Aus meiner persönlichen Komfortzone ist das ja ehrlich gesagt schon ein bisschen raus, was dann ja aber gerade auch eher dafür als dagegen spricht, sich auch davon mal inspirieren zu lassen.

Reissue des Monats
Techno Animal - The Brotherhood Of The Bomb
(Relaspe Records)
Es gab Zeiten, da waren Relapse tatsächlich mal sowas wie eines meiner Lieblings-Label, weil man es wirklich verstand, im Zeitgeist metallischer Underground-Lärmereien die wirklichen Vordenker, brauchbarsten Nachzügler und Spezialisten-Ausnahmeerscheinungen an kaputter Knüppeldröhn- und Röchelboller-Musik zu erkennen, sowie von Indierock oder Instrumental-Weirdness über die eine Harsh-Noise-Marke bis sogar zu Standup-Comedy über den Tellerrand zu blicken, was es da sonst noch alles gibt.
Meine Zuneigung ging in jüngerer Vergangenheit aufgrund einiger Einblicke in ihr geschäftliches Selbstverständnis allerdings etwas zurück, genauso wie sich Label-Roster und meine persönlichen musikgeschmacklichen Vorlieben inzwischen halt so ein bisschen auseinandergelebt haben (auch wenn der gelegentliche Relapse-Neuzugang in mein Plattenregal zugegeben nach wie vor noch vorkommt). 
Einen Sympathiepunkt zurückgewinnen können sie dadurch, sich dem Back-Katalog von Techno Animal anzunehmen, nachdem man 2019 auch schon Debüt-Single und -Album von Nachfolgeprojekt Zonal rausbrachte.
Letztes Jahr taten Relapse dann nämlich das 1995er Techno Animal Album "Re-Entry" erstmals überhaupt auf Vinyl raus (und dann auch gleich als wertiges 4LP-Boxset). 
Müssen wir das jetzt echt noch mal alles erklären? Okay, meinetwegen:
Techno Animal war ein ursprünglich ca. 
1991–2004 aktives Projekt, das Justin K. Broadrick (Ex-Napalm Death, Godflesh etc. pp.) und Kevin Martin (aka The Bug!) damals parallel zu so manch anderer Bandmarke mit Industrial-/ Hip-Hop-/ Jazz-Crossover-Ambitionen wie etwa GOD oder Ice (oder auch noch Curse of the Golden Vampirebetrieben.
Die Gesamtheit dieser Projekte zu erfassen hilft, das alles noch besser zu begreifen, denn dem, genauso wie Slayer's "God Hates Us All" am 
11. September 2001 (!) erschienenem Techno Animal Album "The Brotherhood Of The Bomb" ging schon das '98er Ice Album "Bad Blood" als Industrial-Hip-Hop-Statement mit Gästen am Mikro (darunter u.a. auch Blixa Bargeld und El-P) voraus. 
Nach oben schon erwähntem "Re-Entry", auf dem sich Techno Animal noch etwas mehr in "illbient"-Sphären bewegten, die auch heute noch recht eigen klingen, kam nun dann als nächstes also die Wiederveröffentlichung der letzten Techno Animal (45er-)2LP/ CD dran.
Jene war deutlicher auf groovende Schepper-Beats und brummende Basslines ausgerichtet als das atmosphärisch-verwaschene Frühwerk und holte einige Gastrapper dazu, darunter nochmals El-P, sowie die Jungs vom 
Antipop Consortium und den geschätzten MC Dälek
Zu Inspiratoren des Ganzem zählten u.a. noisiges Public Enemy-Frühwerk (war ich auch schon immer Fan von!), britische Dub-Protagonisten wie Aba-Shanti oder der letztes Jahr verstorbene Jah Shaka (s.o., das Thema Dub ist eine meiner aktuellen Obsessionen) und auch der damals aktuelle Sound der Jungle-/ Drum'n'Bass-Musik von Dillinja oder dem Label No- U-Turn (bin ich voll und ganz ohne Einschränkungen in Liebe mit).
Hier schließt sich also regelrecht ein allumfassender Kreis von damals zu all der Musik, wie ich sie auch heutzutage besonders geil finde, und dazu, dass Relapse dann gelegentlich ja immer noch was richtig machen (denn man soll ja nicht nur mosern, sondern auch mal loben)...
Dafür, auch "The Brotherhood of the Bomb" nach all den Jahren doch nochmal auf Doppel-Vinyl und somit in der Revival-Rotation zu haben, war's jedenfalls der exakt richtige Zeitpunkt!


Mix-o-Mania, rinse it out

Was DJ-Streams und konservierte Mixe, die so ins Netz gespült wurden angeht, muss ich auf jeden Fall erstmal einen Shoutout an den ganztägigen Sonntags-Stream aus dem Dortmunder U von der T:C-Radio Crew Anfang des Monats gehen, den ich zeitweise zugegeben habe mehr so nebenbei mal laufen lassen, zeitweise aber auch mal etwas aufmerksamer verfolgte.
Besonders der dunkel-atmosphärische Drum'n'Bass-Killerset von good ol' Dash war natürlich einfach nur geil.
Passende Visuals auch! 



Dem davor aufgelegt habenden
Mampfret gehört dieser alberne Limp Bizkit-Mashup zwar links und rechts um die Ohren gehauen, aber als etwas rockigerer Party-Drum'n'Bass-Set hat auch das durchaus Spaß gemacht. 
Was mir das allerdings vor allem auch noch mal vor Augen geführt hat ist, dass so'n Stream eben doch nicht den Endorphinschub ersetzen kann, gelegentlich mal von Bassvibrationen erfasst auf 'ner Clubtanzfläche zu sein. 
Nicht unerwähnt bleiben sollten dann noch die Aufwärm-Sets von Rabbit’s Revenge und Cosyy b2b Eeeph. Keine Ahnung, warum ich dieser Tage auf einmal auch verstärkte Begeisterung für dubsteppige Halftime-Headnodder u.ä. zeige, aber es ist halt einfach so. 

Ohm Resistance
-Labelboss Kurt alias Submerged ist jemand, dessen DJ-Sets und Mixtapes ich mir ebenfalls immer wieder gerne anhöre, denn ich hab's schon mal gesagt und sage es noch mal: 
Seine "Metropolis Session" via Subduction Audio  ist eines meiner absoluten Lieblings-Mixe mit sehr vielen coolen Momenten, zu dem ich wirklich immer wieder mal zurückkomme.
Submerged ist jemand, der die Wurzeln der Drum'n'Bass-Musik durchaus voll und ganz versteht und das Genre in seinem ganzen, darüber hinaus gehenden Crossover-Potenzial be- und ergreift, seien es Jazzer-Kollaborationen, Hip-Hop-Annäherungen, Industrial-lehnender Hart-Alarm oder Schulterblicke zur derbe scheppernden Rock-/ Metal-Welt.
Ihn mal, zumindest in Youtube-Konservierung, so richtig in Action zu sehen ist daher auch mal nice: 

Wo wir schon mal beim Bios Stream gelandet sind, der DnB Partys in der Ukraine audiovisuell für die Nachwelt erhält, sollten wir auch noch den Vinyl-Set von iLLusher würdigen!
Und das nicht einfach nur, weil er inkl. so mancher Überschneidung zu meinem eigenen Plattenregal jene Art von dubbig-minimalistischem Samurai-/ Weaponry-Halftime-Kram und Paradox-Drumfunk etc. auflegt, den ich generell auch sehr gerne mag, sondern u.a. auch, weil man von zwei 7" Singles aus dem Hause 45Seven 
in der Mitte des Sets jeweils beide Seiten zu spielen auch erstmal bringen muss.
Schön zu wissen, dass es tatsächlich Veranstaltungen gibt, auf denen genau sowas auch stattfindet! Denn solche Dauerfeuer an Neurofunk-Drops mit den üblich-verdächtigen Urhebern aus den CDJs, wie es etwa seine Kollegen Naum und Anabeuoz präsentier(t)en, sowas kann man ja gefühlt andauernd an jeder Ecke haben...

Damit, mir in Anschluss daran "Ragga Jungle on Vinyl DJ Set at Jungle Kitchen" mit Max Stoner an den Decks vorzuschlagen, damit traf der Youtube-Algorithmus dann wohl auch ziemlich ins Schwarze...

Guter Übergang zu DJ Hidden, der eine neue EP mit Old School Jungle/ Drum'n'Bass Vibes via PRSPCT Recordings auf der Startrampe, und dazu natürlich auch einen entsprechenden Mix zusammengedreht hat, in dem sich zwischen seinen eigenen Produktionen ein Bogen vom Ray Keith-Klassiker über Photek bis zur Homemade Weapons Mayhem erspannt:

Dass Mandidextrous viel Anklang findet, und dann sogar vor einem Berghain-Set auch mal eben zwischen den HÖR-Kacheln auflegte, das fand' ich dann ja auch irgendwie cool, ich muss allerdings ganz ehrlich auch mal sagen, dass dieser "Speedbass"-Kram, den sie nun zu ihrer Nische gemacht hat, mit diesem 180 BPM 4x4-Gepunche zwischen DnB-Soundelementen, Hard-Techno-Strukturen und 'ner ordentlichen Brise Pop-Heiterkeit in abendfüllendem Ausmaß dann doch etwas ist, für das ich mich dann doch wirklich mal viel zu alt führe. Sympathisch ist die ganze Nummer trotzdem auf ihre Art.
Einmal bei HÖR gelandet ist's dann allerdings außerdem nicht mehr so weit ins dunkelbunte Biotop internationaler Künstler und DJs, die Berlins Düsterdisco-Subkultur bereichern, und so blieb ich dann auch noch etwas beim Set von Ludmila Houben hängen.
Jene stammt eigentlich aus Brasilien und schmeißt auch "Vamparties for weird People".
Und wenn wir hier irgendwas sind, dann weird...



Wird übrigens, wo wir gerade dabei sind, wohl echt mal Zeit für 'nen Hands-Takeover bei  HÖR. Make it happen, ppl!

Hätten wir dann auch noch: Der wohl irgendwie auch vage im Orbit von Amenra (glaube ich zumindest?) schwebende Brecht Linden macht als Bolt Ruin sowas wie Industrial-Drone-Musik.
Und legt auch schon mal beim Kiosk Radio auf, wo er nach einem Set vor ca. drei Monaten kürzlich wieder mal das Kabuff betrat und dabei u.a. auch heitere Dance-Music und wilde Breakbeats spielte. Cool:


Auch noch interessant, wenn die Chillout-Zone gerne eher zappenduster sein darf:
Ebenfalls für's Kiosk Radio hat das italienische Dark-Ambient-/ Industrial-Dub-Duo SabaSaba anlässlich des neuen Albums "Unknown City" (Maple Death Records) einen Mix 
für die Reihe "Outsiders" zusammengestellt in dem es u.a. auch Vex’d und John Carpenter zu hören gibt:



Auch noch im Netz...

Der Female Pressure Podcast stieß mich auf Lamia, die sowas wie Industrial-Pop macht und gerade einen neuen Videoclip draußen hat. Und weil ich die Musik tatsächlich ziemlich cool finde, sollte man die wohl mal im Auge behalten:

Die Quicksand-Performance bei KEXP ist sicherlich auch noch erwähnenswert.
Hier kann ich jetzt auch schon wieder diese „ich weiß selbst nicht so wirklich warum“-Floskel rausholen, aber ich weiß tatsächlich 
selbst nicht so wirklich warum an allen reunierten 90er-as-90er-could -be-Bands gerade Quicksand diejenige sind, zu der auch noch mal etwas neuzeitliche Gunst meinerseits gefallen ist. 
Das 2021er "Distant Populations" ist zwar ein tolles Album, aber musikstilistisch und songschreiberisch jetzt eeiiigentlich auch nichts, was mir den Musik übermäßig analysierenden Weirdo-Geist in besonderem Maße stimulieren würde.
Dennoch finde ich Quicksand auch in diesem Jahrtausend echt ganz gut, und auch das sollte man dann mal entsprechend würdigen...



Sonst noch was, Gossip, Bullshit, Rants? 

Ich sach's jetzt mal, mit Bick auf des März-Neuerscheinungen-Radar ganz offen so wie es ist: 
Weil die Schallplattenpreise vom schon länger französisch annektierten Metal-Major "Blascht" dann jetzt auch nur nur noch komplett dreist geworden sind, lasse ich Ministry's "HOPIUMFORTHEMASSES" (€27,99 für 'ne Einzel-EP beim Label direkt, bei diversen Mailordern kommt's dann über 30) und Exhorder's "Defectum Omnium" (€39,99 für 'ne 2LP direkt bei NB...), die dort beide gerade auf der Startrampe sind und in die ich zumindest noch mal auf die alten Zeiten reinhören wollte, dann wahrscheinlich doch eher ungehört durch's Raster fallen, weil: Geht's noch? Fickt Euch. Ganz ehrlich, fickt Euch. 
Allez vous faire foutre tous!
Wir müssen jetzt wohl doch wieder dazu übergehen, uns solche Veröffentlichungen bei stärkerem Interesse dann halt einfach mal nur noch als digitale Privatkopie zu besorgen, denn irgendwo is' Schluss (und bei Spitify anmelden kommt halt auch nicht in die Tüte).

Sicherlich ist das jetzt auch etwas bigott von mir, bedenkt man, was ich gerade für aktuelle Alben anderer Labels ausgebe, bei NB ist der neuerliche Preisanstieg aber halt so auffällig, den Tacken drüber und daher auch an dem Punkt, an dem ich die Konsequenzen ziehen muss.
Ich gebe mein Geld dann jetzt jedenfalls vielleicht doch lieber mal für limitierte Lathe-Cut-Releases kleinerer DIY-Label aus den UK oder sowas her und zahle mich dann mit Shipping und Customs obendrauf allzu gerne doof und dämlich, anstatt solche spätdekadent-turbokapitalistischen Margen von Massenmarktpressungen in mutmaßlich sehr hoher Auflage (=geringerer Stückpreis in der Herstellung) zu unterstützen.
Und an anderen Stellen werde ich in Sachen Plattenkäufe dann jetzt auch wirklich mal 'nen Cut machen müssen. Es ist nämlich echt schon absurd geworden.
Dass an die zwei CD-Releases, die mich zuletzt interessierten, dann bisher auch erstmal nicht so wirklich günstig ranzukommen war, das macht das alles obendrauf dann noch mal absurder.

Dazu passt dann übrigens auch noch eine Socialmedia-Diskussion, die ich zum Thema aufgeschnappt habe, an der sich der neuzeitliche Voïvod-Gitarrist Dan Mongrain beteiligte. Die lächerlich niedrige Summe, die beim Mitglied einer vermeintlichen Kultband über Jahre so von Streams und Plattenverkäufen hängenbleibt (er bezeichnet den entsprechenden Label-Vertrag sogar als "stealing with consent"), die lässt einen dann schon hinterfragen, wo das Geld, das man als Fan für die von ihm bespielten Tonträger gerne ausgegeben hat, dann eigentlich so verendet...
Was machen wir da jetzt? Ich weiß es nicht.

Wir könnten ansonsten auch noch auf die letzten Zwischenfälle bezüglich Rich Walker (Sore Throat, Solstice) und seiner Entourage eingehen, wo man sich ein bisschen sehr in der Ecke der, den Überblick verloren habenden Verschwörungs-Schwurbler, (Meinungs)Freiheitsverfechter und vermeintlicher Cancelculture-Opfer gefällt, aber 1.) wird mir solcher Meddlszene-Gossip immer egaler, 2.) sollten wir solchen, pathologisch narzisstischen Edgelord-Affen mit Bildungsmangel halt einfach gar keine Aufmerksamkeit mehr schenken, wenn sie dann auch noch ihr dumpfes Getrolle episch rechtfertigen, denn das ist das, was sie eigentlich wollen.
Das Drama um Esucela Grind wäre auch noch und ist inzwischen eine so absurde Socialmedia-Shitshow von Soap-Ausmaßen geworden, dass ich fast schon eine Netflix-Verfilmung dazu erwarte..
Und die Slayer-Reunion, parallel zu King's Soloband-Ambitionen, obwohl das 'ne Woche vorher noch ganz anders klang, ist natürlich irgendwie auch ein bisschen peinlich... 
Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass mir die Metal-Szene echt auf den Sack geht?